Sie kleidet und ernährt
Seidenindustrie und andere Wirtschaftszweige wurden in Preußen durch Prämienmedaillen gefördert



In Brandenburg-Preußen wurde alles reglementiert, sogar welche Kleidungsstoffe für wen erlaubt sind und für wen nicht udn was bei der Zucht von Seidenraupen und der Verarbeitung ihrer Kokons zu beachten ist.





Die Medaille auf die Gründung der Berliner Sozietät der Wissenschaften zeigt den von Leibniz kreierten Akademieadler, der zum Sternbild des Aquila (Adler) fliegt (ohne Jahreszahl, von Friedrich Marl).Zur Förderung der Pferdezucht verlieh König Friedrich I. eine von Raimund Faltz gestaltete Medaille ohne Jahreszahl.



Im späten 17. Jahrhundert von der Kurfürstin Sophie Dorothea (Bild rechts) gepflanzt, ist der knorrige Maulbeerbaum in einem Hof schräg gegenüber dem Friedrichstadtpalast in der Berliner Friedrichstraße so hinfällig, dass es von Stahlträgern gestützt werden muss.



Die Produktion von Seiden- und anderen Stoffen war eine mühselige Arbeit an Webstühlen, die vor 300 Jahren in Manufakturen ausgeführt wurde. Im 19. Jahrhundert wurden mechanische Webstühle eingeführt. Durch sie verloren viele Weber Arbeit und Brot und fielen ins Elend.





Friedrich II., der Große, auf einer überaus seltenen Preismedaille für erfolgreiche Textilfabrikanten mit der Darstellung der Minerva, die einen Stoffballen betrachtet (1755, von Nils Georgi). Die Medaille von Abraham Abrfamson von 1783 zur Beförderung des Seidenanbaues verbindet das Bildnis Friedrichs II. mit einer Frau, die Seidenfäden von Kokons abwickelt.





Friedrich Wilhelms II. stiftete eine allgemeine, mit einem Genius geschmückte Medaille ohne Jahreszahl als Preis für Kunst und Gewerbe. Die ebenfalls undatierte Medaille mit der Inschrift SIE KLEIDET DEN REICHEN - SIE NAEHRET DEN ARMEN zeigt eine Frau, die Seidenstoff über einen mit Kokons gefüllten Korb hält (ohne Jahreszahl, beide von Abraham Abramson). (Fotos/Repros: Caspar)

Die Förderung der Seidenindustrie war vor 300 Jahren für die Hohenzollern eine Herzensangelegenheit. Durch Zucht von Seidenraupen und Verarbeitung der auf ihren Kokons aufgewickelten Fäden wollte man teure Importe aus Asien und Westeuropa ablösen und die Binnennachfrage stimulieren. Das begehrte Gespinst wird von Raupen erzeugt, die sich nach Verspeisen zahlloser Maulbeerblätter in Kokons einpuppen, ein Gehäuse, das aus einem bis 3000 Meter langen Seidenfaden gebildet wird. Da Maulbeerbäume sehr witterungsanfällig sind und keinen starken Frost vertragen, war die Seidenproduktion mit hohen Risiken behaftet und ging nach Kälteeinbrüchen im ausgehenden 18. Jahrhundert zurück. Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. wies seine Amtleute und die städtischen Magistrate an, Stadtwälle, Friedhöfe, Alleen und Plätze mit Maulbeerbäumen zu bepflanzen, um darauf Seide "wachsen" zu lassen.

Seidenstoffe waren wegen der komplizierten Herstellung teuer, und die Seidenraupen und Maulbeerbäume gegenüber Kälte anfällig. Da die Hohenzollern gemäß ihrer merkantilistischen Wirtschaftspolitik das Geld lieber im eigenen Land belassen wollten, lag es nahe, sich auf einheimische Produkte zu stützen statt auf teure Importe aus Asien und Westeuropa. Daher gehörte die Förderung der landeseigenen Seidenindustrie zu den herausragenden Staatszielen. Preußens Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., der seit seiner Thronbesteigung 1713 vor allem mit dem Stopfen der von seinem Vater und Vorgänger dank luxuriöser Hofhaltung und verbreiteter Korruption und Misswirtschaft verursachten Löcher im Staatshaushalt zu tun hatte, wies seine Amtsleute und die städtischen Magistrate an, Stadtwälle und Straßen, Friedhöfe und Plätze mit Maulbeerbäumen zu bepflanzen, um darauf Seide "wachsen" zu lassen. Die begehrten Fäden werden vom raupenförmigen Seidenspinner erzeugt, der sich nach Verspeisen der Maulbeerblätter in einem Kokon einpuppt. Dieses Gehäuse wird aus einem bis 3000 Meter langen Seidenfaden gebildet, den man nur noch abwickeln muss.

Akademie gab praktische Hinweise

Der sparsame und praktisch denkende Herrscher berief den zum königlichen Spaßmacher degradierten Akademiepräsident Paul von Gundling zum Aufseher über "alle Seidenwürmer im ganzen Land" mit dem Auftrag, das wissenschaftliche Know-how für die aufblühende Seidenindustrie in Preußen zu liefern. Eine Abhandlung der Socitaet der Wissenschaften von 1714 beschreibt, "wie bey uns der Maulbeerbaum fortgepflantzet / die Seidenwürme gezogen und Seide erzielet werden möge", auch später wurden populäre Schriften über die "Practik des Seidenbaues" immer wieder neu aufgelegt. Überliefert ist, dass der Soldatenkönig aus Frankreich nach Preußen geflüchtete Hugenotten, die sich auf die Seidenproduktion verstanden, im Berliner Tiergarten Parzellen für Maulbeerplantagen zuwies. Er riet seinen Untertanen, "umb Ihre Plantage Gräben aufwerffen und selbige oben auf mit Dornen und anderen Buschwerk bepflantzen und mit der Zeit eine lebendige, beständige Hecke zu gewinnen". Das würde die empfindlichen Bäume vor Beschädigung schützen und außerdem Holz für Zäune sparen. Ein Edikt von 1718 droht Dieben und anderen Übeltätern Festungshaft und Staupenschlag an, die sich an Maulbeer- und anderen Bäumen vergreifen.

Kleiderordnungen früherer Jahrhunderte schrieben vor, wer was anziehen durfte. Leute hohen Standes trugen teure Mäntel, Röcke, Hosen und Hüte, wie auch Münzen und Medaillen zeigen. Doch wer in der gesellschaftlichen Hierarchie unten stand, hatte sich mit billiger, strapazierfähiger Kleidung zu begnügen. Dem einfachen Volk waren sowohl aus Kostengründen als auch wegen der Vorschriften das Tragen von Samt und Seide und die Verwendung langer Stoffbahnen für pludrige Kostüme verwehrt. Da in Brandenburg und Preußen alles per Edikt und Verordnung geregelt wurde, nimmt es nicht Wunder, dass auch der Umgang mit Erzeugnissen der heimischen Seidenindustrie, die die Luxusbedürfnisse des Hofes, des Adels und des reichen Bürgertums zu befriedigen hatte, königlicher Reglementierung unterlag.

Auszeichnungen für Pferdezucht und Fabrikanten

Um die heimische Seidenproduktion anzukurbeln und das Land von teuren Importen unabhängig zu machen, ergriffen die Hohenzollern im 18. Jahrhundert vielfältige Maßnahmen, die Kokonproduktion zu steigern. Die Prägung von Prämienmedaillen zur Erzielung wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und kultureller Leistungen lag damals im Trend. Wir kennen neben Schul- und Universitätsmedaillen auch Schießprämien und Schützenmedaillen, außerdem geprägte Auszeichnungen für erfolgreiche Fabrikanten sowie Gelehrte und Künstler, die, weil sie nicht zum Adel und Offizierskaste gehörten, nicht mit Ordenssternen und -kreuzen bedacht, aber irgendwie auch geehrt und angespornt werden sollten. Ziel war es, Fleiß und Kreativität der Betreffenden zu fördern und sie aus dem Kreis ihrer Kollegen herauszuheben.

Um in Preußen zu bleiben, sei zunächst auf verschiedene in Silber und Gold ausgeführte Auszeichnungen der noch vom Kurfürsten Friedrich III. gegründeten Akademien der Künste und der Wissenschaften sowie der Universitäten in Frankfurt an der Oder und Halle hingewiesen. Versehen mit Bildnissen des Landesherrn als Protektor der Künstler- und Gelehrtenvereinigungen sowie der Hohen Schulen zeigen die sehr seltenen, weil auch in geringer Stückzahl geprägten Medaillen allerlei Allegorien, auf denen das Lob auf den Nutzen der Musen und auf die Freigebigkeit des Monarchen angestimmt wird. Da es vor über 300 Jahren nötig war, die Pferdezucht anzukurbeln, weil ohne sie eine Landwirtschaft, Verkehrswesen und Militär nicht ohne sie auskamen, ließ der Kurfürst eine entsprechende Medaille mit seinem Bildnis und einem prächtigen Gaul prägen. Die von Raimund Faltz geschaffene Medaille lobt, dass "überall Pferdezuchtanstalten" eingerichtet worden sind. Dem 1701 zum preußischen König avancierten Friedrich I. war 1706 die Installierung einer aus dem Jahrmarkt hervorgegangenen Messe in Berlin eine Medaille mit dem Ziel wert, die Residenzstadt an der Spree sollte damit als attraktiver Handelsplatz bekannt gemacht werden.

Maulbeerbäume, wohin das Auge reicht

Obwohl der Seidenanbau dank königlicher Förderung einen beachtlichen Aufschwung nahm und viele harte Taler im Land blieben, wurde "ganz gemeinen Weibsleuten" das Tragen von seidenen Röcken verboten. Sie wurden zu Wollstoffen verdonnert, was wiederum der heimischen Wollindustrie zugute kam. Die Maßnahme zeigt, dass der Soldatenkönig gegenüber der Seidenindustrie ein zwiespältiges Verhältnis hatte. Denn einerseits förderte er sie durch Überlassung von Grund und Boden und durch gezielte Anbaumaßnahmen für Maulbeerbäume, wohin das Auge reicht. Andererseits aber war ihm die Woll- und Leinenindustrie noch wichtiger, denn das Militär kleidete sich nun einmal nicht in Samt und Seide, sondern verwendete derbe, witterungsbeständige und warme Stoffe.

Erst unter Friedrich dem Großen, der 1740 den Thron bestieg und einen Hang zu feiner französischer Lebensart hatte, erlebte die Seidenindustrie ungeahnte Höhenflüge. Er und sein Hof waren die größten Abnehmer dieser Luxusware, denn überall in seinen Schlössern waren die Wände und Möbel mit Seidenstoffen bespannt. Der Monarch forderte die Bevölkerung auf, in großem Stil Maulbeerbäume anzupflanzen. Auf dem Gelände der Charité, in Niederschönhausen, wo des Königs Gemahlin Elisabeth Christine vereinsamt lebte, unweit des Neuen Palais im Park von Sanssouci und an vielen anderen Orten wurden sie in großem Stil angepflanzt. Um die Textilindustrie überall im Land zu fördern, ließ der König Maulbeerbaumsamen und Jungpflanzen kostenlos verteilen, außerdem wurde durch königliche Edikte die Ausfuhr von Maulbeerbäumen verboten und ihre Beschädigung unter Strafe gestellt.

Vergnügen und Vaterlandsliebe

Erfolgreiche Seidenwurm-Züchter erhielten Geldprämien, und außerdem wurden Medaillen geprägt, um Aktivitäten auf diesem Gebiet zu fördern. Manchmal war eine solche Auszeichnung mit dem Bild des Königs prestigeträchtiger als ein Geldbetrag, versprach sie doch eine gewisse Aufwertung in einer Gesellschaft, in der nur die adlige Herkunft etwas zählte. Bereits im Jahr 1755 schuf der am königlichen Hof angesehene Stempelschneider Nils Georgi eine Medaille mit dem Bildnis des Königs und der antiken Göttin der Weisheit, Minerva, die einen Schleier von seidenen Stoffballen zieht. Die repräsentative Prägung, eine der großen numismatischen Raritäten aus der Zeit des Friedrichs II., war für erfolgreiche Fabrikanten und kaum für Leute gedacht, die sich draußen im Lande mit Seidenraupenzucht abplagten.

1783 stiftete der Etatminister Ewald Friedrich von Hertzberg eine in zwei Versionen geprägte Medaille mit dem repräsentativen Bildnis des als "Instaurator", also Wiederhersteller oder Beförderer, genannten Königs Friedrich II. und einer Frau, die unter einem Maulbeerbaum sitzt und Seide spinnt. Für die von Abraham Abramson geschaffene Medaille wurde in der Zeitung mit folgenden Worten geworben: "Da einige Personen den Seidenbau nicht um des Gewinnstes willen, sondern aus Vergnügen oder Vaterlandsliebe treiben, so hat Freiherr von Hertzberg für gut befunden, zur Ehre und zum Andenken des preußischen Seidenbaues eine Medaille von Silber 1e Lot schwer von dem geschickten Künstler Abramson prägen zu lassen, um sie an obgedachte Seidenbauer zu verteilen".

Neben der Jahreszahl in römischen Zahlen liest man auf der Medaille die Angabe BR, was auf das Gut Britz im heutigen Berliner Bezirk Neukölln weist. Hier unterhielt Hertzberg ein Mustergut, bei dem auch Maulbeerplantagen und Seidenraupenzucht eine große Rolle spielten. Der Stifter der Prämienmedaille, der auch die Landesseidenbaukommission leitete, besaß in Britz über eintausend Maulbeerbäume, die 20 bis 30 Pfund "gute Seide" ergaben. In seinem Schloss ließ er die Wände mit Seidenstoffen aus eigener Produktion bespannen, und auch die feinen Kleider, die er und seine Familie trugen, stammten von dort.

Viel Arbeit und geringer Verdienst

Ungeachtet vielfältiger Fördermaßnahmen erfüllten sich die Hoffnungen Friedrichs II. nicht, sein Land durch Eigenproduktion ausreichend mit Seide zu versorgen und sie sogar zu exportieren. Frosteinbrüche ließen ganze Maulbeerplantagen sterben, die Kriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren der Seidenindustrie auch nicht förderlich. Außerdem ließ allgemeines Desinteresse die königlichen Pläne scheitern. Bauern hatten keine Zeit für die aufwendige und arbeitsintensive Produktion, die "von oben" zur Wurmpflege verdonnerten Schulmeister erfanden Ausreden, und auch die Gutsbesitzer widmeten sich, von löblichen Ausnahmen wie Hertzberg abgesehen, nur ungern der Aufgabe. Das Ziel, jährlich 40 000 Pfund Rohseide durch Abwickeln der Kokons zu gewinnen, wurde lange nicht erreicht.

So kam die einheimische Seidenindustrie nach dem Tod Friedrichs II. zum Erliegen. Wiederbelebungsversuche im 19. Jahrhundert führten zu nichts, weil man Rohseide auf dem Weltmarkt preiswerter bekam als durch eigenen Anbau. Eine ebenfalls von Abraham Abramson geschaffene Preismedaille für den Seidenbau von 1793 zeigt außer dem Bildnis des als "Belohner des Fleißes" charakterisierten König Friedrich Wilhelms II. auf der Rückseite eine Frau, die ein Stück Seidenstoff in Händen hält. Die Umschrift SIE KLEIDET DEN REICHEN - SIE NAEHRET DEN ARMEN hat programmatische Bedeutung, denn sie zeigt, wer alles vom Seidenanbau partizipiert. Damit man weiß, worum es geht, ist im Abschnitt "Dem preuss. Seidenbau" zu lesen.

Bliebe zu sagen, dass das Thema Seidenbau erst wieder im Zweiten Weltkrieg Konjunktur bekam, als man Seidenstoffe für Fallschirme und andere militärische Zwecke brauchte. Die Wehrmacht lobte die Wiederbelebung des Seidenanbaus als späte Verwirklichung von Plänen Friedrichs II. Dabei war unverkennbar, dass nur Engpässe ausgeglichen werden sollten, weil Deutschland von ausländischer Zulieferung abgeschnitten war.

16. Oktober 2021

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