Silberstaub zur Wundbehandlung
Warum und zu welchem Nutzen Madonnentaler befeilt wurden / Blick auf Münzen mit heiligen Männern und Frauen



Feilstriche auf dem bayerischen Madonnentaler von 1795 weisen darauf hin, dass man das Silber zur Wundbehandlung abgefeilt hat.



Albrecht Dürer schuf mit dieser Mondsichelmadonna ein anmutiges Bild einer Mutter mit ihrem Kind, daneben fertigt der Heilige Eligius in seiner Werkstatt am Amboss einen Becher an, darum Werkzeuge, die der Patron der Goldschmiede und Münzpräger für seine Arbeit benötigt.



Während der Gegenreformation wurde Maria mit ihrem Kind auf Münzen katholischer Fürsten oft dargestellt. Als Führer der Liga hat Bayerns Kurfürst Maximilian I. im frühen 17. Jahrhundert die thronende Madonna auf seinen Münzen verewigt. Hier ein Fünfdukatenstück von 1640 auf die Befestigung von München durch ihn. Diese und weitere Münzen flehen um Segen für ein Land oder eine Stadt.



Mit ihren Attributen schmücken die Heiligen Sebaldus, Ulrich und Stephan als Patrone diese Taler aus Nürnberg, Augsburg und Lüttich.



Die Heilige Elisabeth mit dem Marburger Dommodell in der Hand schmückt einen hessischen Guldengroschen von 1502.



Szenen aus dem Leben, Sterben und der Auferstehung von Jesus Christus waren beliebt und dienten auch als Amulette. Der halbe Taler aus Böhmen mit Jesus und seinen Jüngern und der Auferstehungsszene stammt aus dem 16. Jahrhundert.







Der Heilige Martin schenkt auf dem Schwarzburger Taler von 1617 einem Bettler die Hälfte seines Mantels. Der Heilige Mauritius zeigt sich als Ritter mit Fahne und Adlerschild auf einem Dukaten des Erzbistums Magdeburg von 1638.



Auf dem Wismarer Taler von 1622 ist der Heilige Laurentius mit dem Rost abgebildet, auf dem man den Märtyrer gegrillt hat. (Fotos/Repros: Caspar)

Nicht nur in vergangenen Jahrhunderten erfreuten sich Weihnachtstaler und solche mit Bildern vom Sterben Jesu Christi am Kreuz und zu seiner Auferstehung großer Beliebtheit, auch heute werden diese Stücke gern gesammelt. Dazu gehören die Madonnentaler und weitere Nominale mit Mariendarstellungen. Der Gebrauch der Präge- oder Gussstücke als Schmuck brachte es mit sich, dass man sie häufig gehenkelt, vergoldet und/oder durchlöchert hat. Diese bei Sammlern ungeliebten Veränderungen sollten als historisch gegeben hingenommen werden. Ausgesprochene Museumsstücke sind Medaillen aus erzgebirgischen und böhmischen Motiven aus dem Alten und dem Neuen Testament. Andere Ausgaben etwa aus Köln zeigen, wie sich die Menschen die Verehrung der Heiligen drei Könige an der Krippe mit dem Christuskind vorstellten. Auch auf Münzen des Bistums Münster kann man die exotisch gekleideten Weisen aus dem Morgenland erkennen. Wer sucht, wird weitere Stücke finden und mit viel Geduld eine kultur- und religionsgeschichtlich interessante Spezialsammlung anlegen können. Dazu kämen zahlreiche Weihnachtstaler und solche zu religiösen Themen, die heutige Prägeanstalten herstellen.

Dass die Madonna auf einer Mondsichel stehend oder thronend dargestellt wird und ihr Sonne, Mond und Gestirne untertan sind, geht auf die Offenbarung des Johannes zurück, bei der es zu Beginn des Kapitel 12 heißt: "Und es erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen. Sie war schwanger und schrie in Kindsnöten und hatte große Qual bei der Geburt. [...] Und sie gebar einen Sohn, einen Knaben, der alle Völker weiden sollte mit eisernem Stabe. Und ihr Kind wurde entrückt zu Gott und seinem Thron." Im Bibeltext ist von einem roten Drachen mit sieben Köpfen die Rede, der nichts anderes als der Teufel ist und das Kind, sobald es geboren ist, auffressen will.

Landespatronin von Ungarn und Bayern

Das Motiv der Madonna, ob über einer Mondsichel stehend oder sitzend oder ohne sie, war schon im Mittelalter so beliebt, dass man sie auf zahlreichen Wandbildern, Gemälden, Skulpturen und auch geprägtem Metall dargestellt hat. Seit dem späten Mittelalter erscheint sie als Landespatronin von Ungarn, Bayern und anderen Ländern auf Münzen und Medaillen. Die Bilder unterstreichen die Verehrung der von einer Aureole umgebenen Himmelskönigin mit dem Christuskind auf dem Arm. Solche Marienmünzen aus Gold oder Silber hat man gern als Amulette bei sich getragen, um sich vor Krankheit, Unfall und Tod zu schützen.

Manche Münzen mit Madonnendarstellungen weisen Feilstriche auf. Man könnte meinen, die Beschädigungen seien Spuren für die Justierung zu schwerer Münze durch Befeilen. Tatsächlich aber sind diese Kratzer und Beschädigungen Hinweise auf einen alten Volksglauben, nach dem abgeschabter Silberstaub bei der Behandlung von Wunden hilfreich sein soll. Man tat die Krümel in eine Flüssigkeit und bestrich mit ihr eine Wunde. Die uns absonderlich erscheinende Methode hat durchaus einen rationellen Kern, denn Silber besitzt eine keimtötende und heilende Wirkung, weshalb es in chemisch gelöster Form auch in Salben, Nasentropfen, Sprays und anderen Präparaten vorkommt, wie jeder Apotheker bestätigen wird. Auf bayerischen Madonnentalern des 18. Jahrhunderts sind solche Spuren zu erkennen, und zwar nicht auf dem Vorderseite mit dem Porträt des Kurfürsten, sondern auf der rückseitig abgebildeten Madonna mit Jesuskind, das den Reichsapfel als Symbol für die Herrschaft über der Welt in der Hand hält.

Aura von Stahlen und Sternen

Bereits im byzantinischen Kaiserreich wurden Münzen mit der Muttergottes zunächst allein, dann mit dem Kind auf dem Arm geprägt. Sie wird betend oder den Kaiser segnend dargestellt, ihrem Namen hat man Attribute wie "ruhmvoll" und "hochgelobt" hinzugefügt. Langsam eroberte sich die Madonna, die an zahllosen Orten verehrt wurde und wird und der man viele Kirchen und Kloster widmete, auch die abendländischen Münzen. Wurde sie auf Denaren Kaiser Karls des Großen nur als "Heilige Maria" erwähnt, aber noch nicht dargestellt, so erscheint sie später auf Münzen stehend auf der Mondsichel oder als thronende Himmelskönigin. Umgeben von einer Aura aus Strahlen oder Sternen, hat man Maria auch mit einem Zepter in der Hand auf Münzen verewigt. Sie kommt auf Talern und Dukaten ebenso vor wie auf Groschen und Pfennigen. Alle diese Münzen flehen um Segen für ein Land oder eine Stadt.

In Ländern und Städten, die sich Luthers Reformation anschlossen, hat man nicht durchgängig auf Mariendarstellungen auf Münzen verzichtet, zu beliebt und symbolträchtig war das Motiv. So heißt es auf Marientalern der protestantischen Hansestadt Hamburg im frühen 17. Jahrhundert "Wenn Gott für uns ist, wer sollte gegen uns sein". Während der Gegenreformation wurde Maria mit ihrem Kind auf Münzen katholischer Fürsten besonders gern dargestellt. Als Führer der Liga hat Bayerns Kurfürst Maximilian I. im frühen 17. Jahrhundert die thronende Madonna, verbunden mit dem Spruch "Gott du bist ein Schild allen, die auf dich hoffen" auf seinen Münzen verewigt. Seither ist die Patrona Bavariae auf zahllosen bayerischen Münzen bis zur Einführung der Reichsmark im Jahr 1871 zu finden.

Martin teilt Mantel mit einem Bettler

Auf zahlreichen Münzen und Medaillen sind heilige Männer und Frauen als Patrone einer Stadt oder eines Landes verewigt. Mit allen Attributen ihres frommen Wirkens und oft ihres Märtyrertods ausgestattet, erbitten die Männer und Frauen göttlichen Segen und fungieren als Schutzpatrone. Da viele Menschen des Schreibens und Lesens unkundig waren, schildern die Münzen entscheidende Szenen aus dem Leben und Leiden der verehrungswürdigen Personen. Wer sich auf diese Motive spezialisiert, wird überall fündig. Auf großen und kleinen Nominalen sind sie zu finden - der Heilige Moritz mit der Fahne auf Münzen des Erzstifts Magdeburg, Petrus mit dem Schlüssel auf Bremer Münzen und der auf einem Rost förmlich gegrillte Laurentius auf Halberstädter, Nürnberger und Wismarer Geldstücken. Sodann wird der Heilige Martin auf Mainzer und Schwarzburger Talern dargestellt, wie er seinen Mantel mit einem Bettler teilt. Beliebtes Motiv auf Lübecker und weiteren Münzen ist Johannes der Täufer mit dem Lamm Gottes in der Hand. Zu erwähnen ist auch die Heilige Elisabeth, die das komfortable Leben als ungarische Königstochter und thüringische Landgräfin mit dem einer mildtätigen Frau tauschte, die sich um Arme, Kranke und Sterbende kümmert und bis heute dafür große Verehrung genießt.

Christliche Szenen wie die Geburt, Kreuzigung und Auferstehung von Jesus Christus und das Leben der Mutter Gottes, aber auch Märtyrer mit den Folterwerkzeugen, durch die sie einen qualvollen Tod erlitten haben, und viele andere Motive sind auf zahlreichen Münzen zu finden. Nicht immer geht aus Inschriften hervor, um welchen heiligen Mann oder welche heilige Frau es geht. Solche Erläuterungen waren in der Entstehungszeit nicht nötig, da man die Bibel und die Heiligen kannte und auch wusste, wer von ihnen die Hände schützend über eine Stadt, ein Fürstentum oder eine Berufsgruppe hält. Da nur wenige Leute lesen und schreiben konnten, fungierten die gemalten, gemeißelten, geschnitzten und geprägten Darstellungen als "heilige Lehrer", die die göttliche Wahrheit vermitteln.

Bei Gott ist Rat und Tat

Heute braucht man zur Bestimmung Spezialliteratur, oft aber hilft ein Blick in die Bibel. Über das Schicksal des hin und wieder auch auf Münzen verewigten Heiligen Stephanus wird in der Apostelgeschichte des Lukas (Kapitel 6 und 7) berichtet. Der Mann voll Glaubens und des heiligen Geistes, der Weisheit und der Wunder war verdächtigt worden, wider Mose und Gott zu sprechen. Falsche Zeugen sagten Stephanus Lästerworte über die heiligen Stätten und das Gesetz nach. Angeblich würde Jesus von Nazareth diese Orte zerstören und die von Mose gegebenen Sitten ändern wollen. Stephanus wurde auf Weisung des Hohen Rates gesteinigt. Dabei sprach er "Herr Jesu, nimm meinen Geist auf" und vergab seinen Henkern mit den Worten "Herr, behalte ihnen diese Sünde nicht" und hauchte sein Leben aus. Das Schicksal dieses Märtyrers, dessen Gebeine um das Jahr 417 aufgefunden wurden und nach einigen Irrfahrten in Rom neben den Überresten des gleichfalls grausam hingerichteten Heiligen Laurentius beigesetzt wurden, ist unter anderem auf Brakteaten der fürstbischöflichen Münze zu Halberstadt aus der Mitte des 12. Jahrhunderts eindrucksvoll dargestellt. Zwei durch spitze Hüte als Juden kenntliche Männer werfen Steine auf den knienden Gottesmann, um dessen Kopf ein Heiligenschein gelegt ist. Ein anderer Brakteat zeigt den Erschlagenen unter einem Steinhaufen, während Engel seine Seele zu Gott tragen. Spätere Münzen aus der Stadt und dem Bistum Halberstadt ehren Stephan stehend mit einer Palme in der Hand.

Marterwerkzeuge und Hinrichtungsszenen, aber auch Bilder mildtätiger Fürsorge und tapferer Verteidigung des christlichen Glaubens finden sich überall auf Münzen. Denken wir nur an Petrus mit dem Schlüssel, an Martin, der seinen Mantel mit einem Bettler teilte, an Andreas mit dem Andreaskreuz, an dem er den Märtyrertod fand, an Katharina, die durch das Schwert umkam, oder Laurentius, der auf einem Rost über glühenden Kohlen regelrecht gebraten wurde. Die Reichsstadt Nürnberg hat dem auf einem solchen Gerät gemordeten Blutzeugen wiederholt auf Münzen ein Denkmal gesetzt und dabei den Rost als Attribut nicht vergessen.

Ein Blick in theologische und kunsthistorische Bücher zeigt, was es mit dem Lamm Gottes auf sich hat, wie sich die Taube vom vorchristlichen Symbol für Liebe und Unschuld in christlicher Zeit zum Sinnbild des heiligen Geistes entwickelte, welche Tiere als Symbol der Apostel fungieren, in welcher Gestalt und zu welchen Gelegenheiten Engel erscheinen oder auch warum die Jungfrau Maria mit einer Mondsichel dargestellt wird. Manche Bildinhalte, die uns heute oftmals fremd und fern erscheinen. Das betrifft auch die Frage, warum Heilige (beziehungsweise hochstehende Stifter) ein Kirchenmodell in der Hand halten, welche Pontifikalgewänder und Abzeichen Kirchenfürsten tragen und welche Bedeutung die Eherne Schlange als Symbol der Errettung von Krankheit und Gefahr.

Mit solchen Münzen trugen die Gläubigen einen prominenten Heiligen im Geldbeutel oder als Amulett am Körper. Dafür eigneten sich die von den Mansfelder Grafen in vielen Varianten geprägten Taler mit dem Heiligen Georg gut, der einen gräulichen Drachen tötet. Den mit dem Spruch "Bei Gott ist Rat und Tat" versehenen Münzen hat man die Kraft angedichtet, vor Krankheit, "bösem Blick" und Todesgefahr auf dem Schlachtfeld zu schützen. Manche Gepräge hat man gehenkelt oder durchlöchert, um sie an Ketten oder Schnüren auf der Brust zu tragen. Es wird erzählt, dass mancher Schuss zwar die Georgtaler traf, aber den Träger verschonte.

9. August 2021

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