Medaillen zum Wettin-Jubiläum
Sächsisches Königshaus feierte 1889 sich und seine weit ins Mittelalter reichende Ahnenreihe



Die Postkarte aus der Kaiserzeit zeigt die Burg Wettin im heutigen Saalkreis, den Stammsitz des sächsischen Herscherhauses.



Im Stil des Historismus erzählen Wandbilder aus dem 19. Jahrhundert in der Albrechtsburg zu Meißen die wettinische Familiengeschichte.







Die Medaillen von 1889 mit Bildnissen von König Albert feiern das achthundertjährige Jubiläum des Hauses Wettin, unten mit der Nachbildung eines Brakteaten des Markgrafen Heinrich I., der 1081 von Kaiser Heinrich IV. die Mark Meißen als Lehen erhielt und damit Ahnherr der Dynastie wurde.



In der Größe eines Fünf-Mark-Stücks kam 1889 ebenfalls zu Achthundertjahrfeier eine Medaille heraus, die aus unerfindlichen Gründen in den Katalog der deutschen Münzen seit 1871 von Kurt Jaeger unter der Nummer 123 aufgenommen wurde. Im Kaiserreich waren Gedenkmünzen erst ab 1901 zugelassen.



Königs Johann regierte Sachsen von 1854 bis 1873 in einer Zeit, in der das Deutsche Reich unter preußischer Führung gegründet wurde. Dem kunstsinnigen Übersetzer der Werke des italienischen Dichters blieb die Schmach erspart, dass er nach dem Deutschen Krieg von 1866 vom Thron gejagt und sein Land von Preußen annektiert wird. Das von Johannes Schilling geschaffene Reiterdenkmal von König Johann erhebt sich vor der Semperoper auf dem Dresdner Theaterplatz. Sein langer Hermelinmantel und ein gekröntes Zepter weisen ihn als Herrscher über Sachsen aus.



Das heute als Verkehrsmuseum genutzte Johanneum am Dresdner Neumarkt war ursprünglich ein Stallgebäude und Galerie im Anschluss an das kurfürstliche und königliche Residenzschloss. König Johann veranlasste den Umbau, nach ihm ist das Gebäude benannt.



Als König Albert 1898 sein 25jähriges Thronjubiläum feierte, hier ein Titelbild der "Gartenlaube", war in Sachsen nicht nur eitel Sonnenschein, vielmehr tobten heftige Kämpfe der Arbeiter um bessere Löhne und weniger Arbeitszeit.



Die meisten Herrscher, die auf dem Dresdner Fürstenzug von rechts nach links reiten und sich mit ihren Vorgängern beziehungsweise Nachfolgern im trauten Gespräch befinden, sagen uns heute nichts mehr. Vielleicht kann man noch etwas mit Friedrich dem Weisen anfangen, der sich im frühen 16. Jahrhundert einen Namen als Beschützer Martin Luthers machte und die Dreiergruppe mit Johann dem Beständigen und Johann Friedrich dem Großmütigen anführt. (Fotos/Repros: Caspar)

Nach der deutschen Reichseinigung von 1871 spielte Sachsen zwar wegen seiner großen Wirtschaftskraft und kulturellen Ausstrahlung eine wichtige Rolle im preußisch dominierten Kaiserreich. Politisch aber war das seit Urzeiten von den Wettinern beherrschte Land aber nur noch ein Anhängsel des mächtigen Nachbarn. Die Könige von Sachsen erwarben sich durch die Förderung der Wirtschaft, Kunst, Kultur und Wissenschaft einen Namen. Die nach König Johann und seinem Sohn Albert benannten Museen, das Johanneum am Altmarkt und das Albertinum auf der Brühlschen Terrasse, besitzen in der Dresdner Kulturlandschaft einen hervorragenden Ruf.

Ungeachtet von Kriegen, Katastrophen und bilderstürmerischen Attacken blieben in Dresden vier Herrscherdenkmäler erhalten. Den aufgestellten "Goldenen Reiter", also August den Starken, zu beseitigen, hätte sich das SED-Regime niemals getraut. Hoch zu Ross, aber weit weniger expressiv ist König Johann reitend auf dem Theaterplatz dargestellt. Das Bronzemonument wurde von Johannes Schilling, dem Schöpfer des Niederwalddenkmals, gestaltet und 1889, zur 900-Jahrfeier der Inthronisierung des Hauses Wettin in Sachsen, feierlich enthüllt. Es feiert einen Monarchen, der 1854 nach dem Unfalltod seines Bruders Friedrich August II. den sächsischen Thron bestieg und, wenigstens was seine geistigen Gaben betraf, eine Ausnahmeerscheinung unter den gekrönten Häuptern seiner Zeit war, vielleicht vergleichbar mit dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV., dem Romantiker auf dem Thron. Johann war ein gebildeter, vielseitig interessierter und begabter Monarch, der den griechischen Dichter Homer auswendig kannte. Die Herscherpose liegt ihm wenig, und ihm wird wohl auch der Hermelinmantel um die Schulter schwer. Das auf einem stufenförmigen Unterbau aus Granit stehende Bronzedenkmal wirkt eigentlich nur, wenn man es im städtebaulichen Kontext mit der seitlich gelegenen Sempergalerie und der Semperoper hinter ihm betrachtet.

Dante-Übersetzer hoch zu Ross

In Johanns Regierungszeit von 1854 bis 1873 fallen die drei deutschen Einigungskriege von 1864 gegen Dänemark, 1866 gegen Österreich und 1870/71 gegen Frankreich sowie die Gründung des deutschen Kaiserreichs unter preußischer Führung (1871), aber auch die Entwicklung der Arbeiterbewegung im "roten Sachsen", die die damals herrschenden Klassen und Schichten das Fürchten lehrte. Nach dem Sieg Preußens im Jahre 1866 stand es um Sachsen schlecht, das mit Österreich verbündet war und mit ihm nun die Folgen seiner Niederlage tragen musste. Während sich Preußens König Wilhelm I. Hannover, Hessen, Nassau und Frankfurt am Main einverleibte, tastete er Sachsen nicht an, zwang es aber zu Kontributionen und machte aus ihm ein Anhängsel Preußens. Das muss dem König Johann ein ständiges Ärgernis gewesen sein, ihm, der sich mit der Übersetzung von Werken des italienischen Renaissance-Dichters Dante ins Deutsche befasste und sie unter dem Pseudonym Philalethes veröffentlichte. Johann hatte Dantes "Göttliche Komödie" bei einem Italien-Aufenthalt kennen gelernt hat. Es verwundert daher nicht, dass dieser Klassiker neben anderen Persönlichkeiten und allegorischen Figuren auf dem Denkmalsockel abgebildet ist.

Erwähnt sei, dass Johann bereits als Prinz einer der Wegbereiter der wissenschaftlichen Denkmalpflege in Sachsen war. Er übte im 1825 gegründeten "Königlich-sächsischen Verein zur Erforschung und Erhaltung vaterländischer Altertümer" das Amt eines Vizedirektors aus, während sein älterer Bruder König Friedrich August II. die Direktion innehatte. Bei allem Interesse an Kunst, Kultur und Architektur war Johann so etwas wie ein klerikaler Rechtsaußen, ein Mann, der im Geruch konfessioneller Schroffheit und ultramontaner Gesinnung stand, wie ein Zeitgenosse schrieb, wenig empfänglich für dringende gesellschaftliche Veränderungen, die damals auf der Tagesordnung standen. Das Denkmal auf dem Dresdner Theaterplatz gaukelt Eintracht und emsigen Handel und Wandel bei den Sachsen vor, doch ist der idealisierenden Darstellung Vorsicht geboten. Denn so friedlich und menschenfreundlich waren die Verhältnisse nicht, auch wenn an der Spitze ein Mann von hoher Gelehrsamkeit stand.

Heile Welt voll Glanz und Gloria

Als König Johann am 29. Oktober 1873 starb, folgte ihm sein Sohn Albert auf den Thron, ein Mann von militärischem Schrot und Korn. Er veranlasste die Errichtung des von Johannes Schilling geschaffenen Reiterdenkmals seines Vaters vor der Semperoper auf dem Dresdner Theaterplatz, ließ aber auch den "Fürstenzug" anlässlich der Achthundertjahrfeier des Hauses Wettin 1889 an der Außenwand des Langen Gangs des Dresdner Schlosses anbringen. Das aus zahllosen bemalten Porzellanfliesen der Meißner Manufaktur bestehende Wandgemälde feiert 35 Markgrafen, Kurfürsten und Könige aus dem Hause Wettin hoch zu Ross, und in ihrer Mitte macht auch König Johann in Generalsuniform eine gute Figur. Mit der Ahnengalerie ehrten die Wettiner, die seit 1125 in Sachsen regierten, sich selbst. "Du alter Stamm, / sei stets erneut / in edler Fürsten / Reihe, / wie alle Zeit / dein Volk dir weiht / die alte deutsche Treue" lautet die Inschrift am Beginn der Bilderfolge. Dargestellt sind die Regenten aus dem Hause Wettin nicht als Reliefs oder vollplastische Figuren, sondern illusionistisch in schwarzen und grauen Farben auf goldenem Grund gemalt. Der 1872 bis 1876 zur 800-Jahrfeier der Dynastie von Wilhelm Walter entworfene und zunächst in der witterungsanfälligen Sgraffito-Technik ausgeführte Wandfries misst 101 Meter. Schon nach 30 Jahren befand er sich in solch schlechter Verfassung, dass er auf Fliesen der Meissner Porzellanmanufaktur übertragen werden musste.

Zeitlich umfasst die Bilderschau acht Jahrhunderte sächsischer Geschichte. Sie reicht vom Markgrafen Konrad dem Großen, der 1125 die königliche Bestätigung für den Besitz der Markgrafschaft Meißen erhielt, bis zu König Georg von Sachsen, der 1902 starb und den Spitznamen "der Grämliche" trug. Die 35 Markgrafen, Kurfürsten und Könige hoch zu Ross werden angeführt durch mittelalterliche Herolde, Spielleute und Fahnenträger. Abgeschlossen wird der Fürstenzug durch Fahnen schwingende Studenten sowie Künstler und Gelehrte in Kostümen des 19. Jahrhunderts. Unter ihnen erkennt man auch Wilhelm Walter, der Maler des "Fürstenzuges". Die Inschrift "Ein Fürstenstamm / dess Heldenlauf / reicht bis / zu unsern Tagen, / in grauer Vorzeit / ging er auf / mit unsers Volkes / Sagen" beendet das Wandbild, das dem Betrachter eine heile Welt voll Glanz und Gloria vorgaukelt. Die Bilderfolge zeigt nur Männer, ganz zum Schluss sind ein paar Kinder als Dekoration hinzugefügt. Frauen kommen im Geschichts- und Gesellschaftsbild des späten 19. Jahrhunderts offenbar nicht vor.

Wie durch ein Wunder hat der Fürstenzug das Bombeninferno vom Februar 1945 überstanden, bei dem die Dresdener Innenstadt fast vollständig zerstört wurde. In der DDR wurde der Fries nicht beseitigt, obwohl er wegen der ungeschminkten Fürstenverherrlichung nicht ins ideologische Konzept der Marxisten-Leninisten passte. Vielmehr hat man ihn restauriert, wobei fast 700 beschädigte oder verloren gegangene Fliesen ergänzt wurden.

Liebe zur Kunst und Wissenschaft

Zurück zu König Johann. Ganz unerwartet wurde er mit 53 Jahren Nachfolger seines bei einem Unfall in Tirol kinderlos verstorbenen älteren Bruders Friedrich August II. Ausgestattet mit einer hervorragenden humanistischen Bildung, fühlte sich Johann als Prinz und als König am wohlsten im Kreis von Künstlern und Gelehrte. Ein Biograph lobte sein Gedächtnis, seine rasche Auffassungsgabe, seine Klarheit als bewundernswert, "und die Bescheidenheit, die ihn auch bei der entschiedensten Anerkennung, welche ihm zu Theil wurde, nie verließ, machte ihn wahrhaft liebenswürdig". Doch nicht nur die Förderung der Musen und der Wissenschaft war Johann ein wichtiges Anliegen, denn das hatte im sächsischen Herrscherhaus lange Tradition. Vielmehr war er selber auch wissenschaftlich und musisch tätig. Bei einer Bildungsreise hatte er in Italien eine Ausgabe der "Göttlichen Komödie" des Renaissance-Dichters Dante Aligiehri erstanden. Bisher mit den Schriften von Homer und Horaz beschäftigt, machte sich der sprachkundige Wettiner daran, das berühmte Werk des Florentiners in Deutsche zu übertragen. Um die Urheberschaft der als feinfühlig und sprachlich gelungen gelobten Übersetzung nicht offenbaren zu müssen, legte verwendete der Prinz das Pseudonym Philalethes, zu deutsch etwa Freund der Wahrheit. Das verschaffte ihm den ehrenvollen Beinamen "der Wahrhaftige". Es versteht sich, dass ein Dante-Kopf auf dem Sockel des Reiterdenkmals zu sehen ist.

Die Liebe zur Kunst und zur Wissenschaft und hier namentlich zur Geschichte, wie sie sich in Johanns Mühen um Dante und sein Werk, aber auch um sächsische Baudenkmäler und andere Hinterlassenschaften ausdrückt, war die eine, die glänzende Seite der Medaille. Auf der anderen Seite begegnet uns ein Herrscher, der sich nicht den drängenden politischen und sozialen Fragen seiner Zeit stellte, sondern eher einen harten konservativen Kurs verfolgte. Für viele Zeitgenossen stand der königliche Wahrheitssucher "im Geruche confessioneller Schroffheit und ultramontaner Gesinnung", was nichts anderes bedeutete, als dass der auf seine Rechte pochende Johann ein "klerikaler Rechtsaußen" war, der alles unterdrückte, was seine Macht gefährden konnte. Unglücklich agierte der Monarch im deutsch-österreichischen Krieg von 1866.

Sachsen gehörte mit Österreich und anderen Ländern zu den Verlierern dieses zweiten von drei Einigungskriegen. Wilhelm I., der siegreiche König von Preußen, diktierte seinem sächsischen "Bruder" einen harten Frieden, ließ ihn aber weiter regieren, während Hannover, Hessen, Nassau und Frankfurt am Main ihre Souveränität verloren und dem preußischen Staat einverleibt wurden. Johann behielt zwar Krone und Land, geriet aber in politische Abhängigkeit von Preußen. Sachsen existierte bis zum Ende der Monarchie 1918 als ein eher unbedeutendes Bundesland unter anderen.

Ahnengalerie aus Meißner Porzellan

Von den inneren Schwierigkeiten und den Wünschen der Sachsen an ihre Herrscher ist auf dem Dresdner Fürstenzug, einem aus tausenden bemalten Porzellanfliesen bestehenden Bilderfries mit reitenden Markgrafen, Kurfürsten und Königen an der Nordwand des Stallhofgebäudes an der Augustusstraße gleich beim Dresdner Residenzschloss, nichts zu erkennen. Das Wandbild wurde unter der Regierungszeit König Alberts zur Achthundertjahrfeier des Hauses Wettin von dem Maler Wilhelm Walther geschaffen und feiert unter wehenden Fahnen und begleitet von jubelnden Untertanen sächsische Geschichte als Werk von Monarchen, die das Land mit Klugheit und Weitsicht zu Glanz und Gloria geführt haben. Wohl mag es solche Herrscher gegeben haben, doch es gab unter den Wettinern, die 1089 mit der Markgrafschaft Meißen belehnt worden waren, auch Vertreter, die alles andere als Weitblick und ein Herz für ihre Untertanen hatten, sondern sich in gewagte Militär- und Finanzabenteuer einließen und ihr Reich fast an den Abgrund führten. Sachsen spielte bis zum Ende der Monarchie in den Wirren der Novemberrevolution 1918 im Kaiserreich quasi als Anhängsel Preußens eine untergeordnete Rolle. Seine Könige blieben als leutselige Regenten in Erinnerung. Dem letzten Wettiner auf dem sächsischen Thron, Friedrich August III., wird bei seinem Machtverzicht der Satz zugeschrieben "...dann macht doch euern Dreck alleene!". Zwar soll der volksnahe König dieses Zitat stets bestritten haben, seiner legeren Einstellung zu einer Frage, die nicht mehr zu ändern ist, würde der populäre Ausspruch aber gut entsprechen.

30. September 2021

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