Mensch in Fahrt
Deutsches Technikmuseum Berlin zeigt in einer Kreuzberger Ladehalle Raritäten aus seiner Oldtimersammlung





Ein während der Berlin-Blockade 1948/49 eingesetzter Rosinenbomber wirbt für den Besuch des DTM an der Trebbiner Straße 9 in Berlin-Kreuzberg. Im Eingangsbereich wird unter anderem gezeigt, wie eine Rathaus- oder Kirchturmuhr funktioniert.



Blick in die Ausstellungshalle mit Oldtimern aller Art, bei denen die Herzen aller Autofans höher schlagen.



Das DTM setzt dem Berliner Droschkenkutscher Gustav Hartmann ein Denkmal (links), der 1928 mit seinem schon recht klapprigen Gaul "Grasmus" auf der Reichsstraße 1 nach Paris fuhr. Seine über 2000 Kilometer lange Fahrt war ein Werbezug für Verständigung zwischen den "Erbfeinden" Deutschland und Frankreich zehn Jahre nach dem Ersten Weltkrieg und gleichzeitig eine Kampagne gegen den Niedergang des Pferdedroschkenwesens angesichts boomender Automobilität, rechts vertreten durch einen schnittigen Rennwagen samt gewonnener Pokale.



Nachbauten sind diese Oldtimer, vorn ein Laufrad, das im frühen 19. Jahrhundert konstruiert wurde.





Für jeden Geschmack und Geldbeutel wurden fahrbare Untersätze produziert. Was heute sehr teuer bezahlt wurd und kaum noch auf Straßen zu sehen ist, kann man im DTM bewundern.





Der blaue Mercedes Nürburg 460 wurde vor einigen Jahren in Sachsen restauriert und ist eines der besonders bewunderten Schaustücke in der Oldtimer-Ausstellung des Technikmuseums. In den auch Rennpappe, Gehhilfe oder Duroplastbomber genannten DDR-Kleinwaren Marke Trabant darf man sich setzen und Lenkrad und Hebel bedienen.

Das Deutsche Technikmuseum an der Trebbiner Straße 9 im Berliner Bezirk Kreuzberg gehört zu den beliebtesten Museen der Hauptstadt. Im Unterschied zu anderen Ausstellungen fällt hier der große Anteil von Kindern und Schülern unter den Besuchern auf. Das ... gegründete Museum sammelt und bewahrt Objekte aus allen Bereichen der Kulturgeschichte der Technik und des Verkehrswesens. Mit den Jahren kam ein Schatz von etwa 150.000 Gegenständen zusammen, der sich durch enorme Vielfältigkeit und Einmaligkeit auszeichnet. In den aktuellen Ausstellungen können Besucherinnen und Besucher, wenn das Haus nach coronabedingter Schließung rund 4.000 Objekte sehen, etwa 500 Ausstellungsstücke sind an andere Museen verliehen.

Gezeigt wird alles, was pfeift, schnaubt, und röhrt, was qualmt, schnappt, rasselt und klingelt, also Dampf- und andere Maschinen, Automobile und Eisenbahnen, Schiffe und Flugzeuge, Geräte zum Herstellen von Textilien und zur Bearbeitung von Metall, aber auch frühe Zeugnisse der Elektrotechnik und Elektronik und der Fotografie. Hinzu kommen Druckmaschinen, alte Radios und sogar ein historisches Fernsehstudio und eine Werkstatt, in der Schmuck und Medaillen hergestellt werden. Zu sehen ist eine repräsentative Auswahl der Bestände, denn die meisten Stücke lagern in den in den Depots, stehen für Forschungszwecke und als Fundus für neue Ausstellungen zur Verfügung.

Anschauungsunterricht über unser Woher und Wohin

Sechzig Jahre ist es her, dass elf Berliner einen Verein gründeten, um das alte Verkehrsmuseum neu zu gründen. Dank unermüdlicher Sammeltätigkeit entstand mit den Jahren an der Trebbiner Straße 9 im Bezirk Kreuzberg ein Museum, das sich wachsender Beliebtheit bei Besuchern jeden Alters erfreut. Vor allem Schulklassen kommen gern in die alten Backsteinhallen auf einem ehemaligen Bahngelände, erhalten sie doch einen interessanten Anschauungsunterricht über unser Woher und Wohin, den sie im Unterricht und im täglichen Leben gut gebrauchen können. Das Museum will seine Bestände Schritt für Schritt online zugänglich zu machen. In einem von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa geförderten Projekt hat das Museum 2017 begonnen, seine Sammlungsbestände für eine Online-Präsentation zu bearbeiten. Insgesamt sind inzwischen fast 3.000 Objekte online zu sehen. 2018 wurden darüber hinaus 900 Objekte aus dem Bereich "Kommunikation und Medien" über das Online-Portal "museum-digital" veröffentlicht. Ebenfalls online einsehbar sind mehr als 1.400 Dokumente und technische Zeichnungen der A. Wetzig Eisengießerei und Maschinenfabrik für Mühlenbau sowie Objekte zu Themen wie Schienenverkehr, Kommunalverkehr und Textiltechnik.

Abwechslungsreiche Sonderausstellungen und 19 Dauerausstellungen laden im DTM zu erlebnisreichen Entdeckungsreisen durch die Kulturgeschichte der Technik und des Verkehrswesens ein. Die Ausstellung "Mensch in Fahrt" schlägt auf 1.400 Quadratmetern einen Bogen vom vorindustriellen Ochsenkarren bis zur massenhaften Verbreitung des Autos im 20. Jahrhundert. Die Oldtimer-Schau macht gleich zu Beginn mit den an Droschken erinnernden Fahrzeugen bekannt, die sich ohne Pferde, dafür aber mit Hilfe eines Motors rumpelnd fortbewegten. Wenn solche "Selbstfahrer" gesichtet wurden, waren ihnen bewundernde und besorgte Blicke sicher, und Pferdekutscher machten vorsichtshalber Platz, ist in der hell ausgeleuchteten Ausstellung zu erfahren. Ausgewählt wurden für sie aus der umfangreichen Auto-Sammlung des Technikmuseums rund 30 Vehikel von einer blau lackierten Luxuslimousine Marke Mercedes Nürburg 460 über berühmte Rennwagen und teure Kabrios bis zum VW Käfer und anderen fahrbaren Untersätzen reicht. Sie anzufassen, ist nicht erlaubt, doch bei einem orange gestrichenen Zweitakter der DDR-Marke Trabant wird eine Ausnahme gemacht. Besucher jeden Alters können hier Platz nehmen und sich wie jene Leute fühlen, die vor 1989 eines dieser Autos für furchtbar viel Geld und nach elend langen Wartezeiten ihr eigen nennen konnten.

Die Autosammlung des Technikmuseums umfasst nicht nur Fahrzeuge mit vier Rädern, sondern auch so genannte Knochenbrecher. Unter ihnen verstand man jene noch recht einfach konstruierten Motorräder der frühen Jahre, bei denen man sich schon mal Stauchungen und Rückenschmerzen holen konnte und die trotzdem begeisterte Anhänger hatten. Interesse verdienen energiesparende Elektroautos, aber auch Motoren sowie Autozubehör und auch ein Campinganhänger, bei dem man sich fragt, wie in ihm eine Familie samt Verpflegung und Kleidung Platz finden konnte. Weitere Informationen über die einzelnen Abteilungen, Archiv und Bibliothek sowie über Mitgliedschaften im Verein der Freunde und Förderer des DTM Berlin und in Arbeitskreisen im Internet unter www.sdtb.de.

Entzauberter Mythos Autobahn

Beim Rundgang erfährt man, dass die Autobahn in Deutschland keine Erfindung der Nazis und ihres "Führers" Adolf Hitler war, sondern war vor der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur (1933) geplant wurde. Die 1929 begonnene "Kraftwagenbahn" Köln-Bonn wurde im August 1932 eingeweiht, knapp ein halbes Jahr vor der Errichtung der Nazidiktatur. Die 20 Kilometer lange Strecke gilt als erste Autobahn der Welt. Dessen ungeachtet tat Hitler nach der so genannten Machtergreifung alles, die vierspurige Autostraße mit einem Mythos zu umgeben und sich das Verdienst, sie erdacht und gebaut zu haben, auf die eigene Fahne zu heften. Sowohl der erste Spatenstich am 23. September 1933 als auch die Eröffnung eines Abschnittes zwischen Frankfurt (Main) und Darmstadt wurden von Hitler, der ein begeisterter Autofan war, persönlich vollzogen und landesweit im Rundfunk, der Presse und der Wochenschau verbreitet. Die Welt hielt den Atem an, denn andere Länder waren, was Straßenbau und Infrastruktur betraf, noch ziemlich hinterm Mond.

Nach dem Willen der Nationalsozialisten sollte die mit großem finanziellem Einsatz und im Rahmen eines zur Bereinigung der Arbeitslosenstatistik wichtigen und propagandistisch gut vermarkteten Arbeitsbeschaffungsprogramms unter quasi militärischen Bedingungen gebaute Autobahn die Einheit von technischem Fortschritt und Natur verkörpern. Sie wurde zum Symbol einer grandiosen Zukunft und heilen Welt erhoben, in der die Volksgemeinschaft alles ist und das Motto "Ein Volk, ein Reich, ein Führer" und nichts anderes gilt. Die von unzähligen Menschen quasi in Handarbeit unter primitiven Umständen mit Schaufeln und Loren gebaute Autobahn wurde als Zeichen der Einheit von Reich und Führer, von deutscher Größe verherrlicht. Ähnliche Funktionen hatten auch die Olympischen Spiele von 1936, deren Planung auch auf die Zeit vor der Errichtung der NS-Diktatur zurückgeht.

Hitler und sein Propagandaminister Joseph Goebbels erkannten den Symbolwert der Betonschlangen. Sie ließen ihren Bau durch Filme, Zeitungsreportagen, Romane, Gemälde und Gedichte, Plakate und Briefmarken verherrlichen und strickten damit am eigenen Mythos. Dazu gehörte auch die Legende, dass Hitler schon Mitte der 1920er Jahre die Idee hatte, Deutschland mit einer Autobahn zu beglücken. Das stimmt nicht, denn schon vor dem Ersten Weltkrieg gab es solche Pläne. Das Bauprojekt wurde nach der Errichtung der Nazidiktatur unter neuen Vorzeichen belebt und bekam, was man damals natürlich verheimlichte, auch eine militärpolitische Komponente, denn Eisenbahnstrecken und gut ausgebaute Straßen standen schon im 19. Jahrhundert bei strategischen Überlegungen ganz oben. Die tatsächliche Nutzung als Straße für Kriegszwecke hielt sich allerdings in Grenzen, denn das meiste militärische Gerät wurde mit der Eisenbahn transportiert. Im Zweiten Weltkrieg dienten die Autobahnen den englischen und amerikanischen Flugzeugen als Orientierungshilfen für Bombenangriffe. Nach dem Krieg wurden sie im Westen zum Teil zerstört und dann in einem neuen Aufbauprogramm und viel dichter als je zuvor ausgebaut. Die Modernisierung der Autobahnen in der DDR ließ derweil auf sich warten und wurde erst nach der Wiedervereinigung (1990) massiv und mit immensem Kostenaufwand in Angriff genommen und in den letzten Jahren erfolgreich abgeschlossen.

3. Januar 2021

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