Mutiger Jurist kämpft für Recht und Gerechtigkeit
Topographie des Terrors würdigt Fritz Bauer, der Adolf Eichmann aufspürte und die Auschwitzprozesse auf den Weg brachte



Langsam kommen nach Monaten des Stillstands wieder Besucher in die Topographie des Terrors und sehen dann auch die Außenausstellung an den Kellerwänden des ehemaligen Hauptquartiers der Gestapo. Öffnungszeiten täglich 10 bis 20 Uhr bei freiem Eintritt.





Die Ausstellung nennt Fritz Bauer einen Botschafter des Artikels 1 des Grundgesetzes. Dass der Jurist nicht das erreichte, was er aus seiner tiefen demokratischen Grundeinstellung anstrebte, macht ihn zu einer tragischen Figur der neueren deutschen Geschichte.



Fritz Bauer war kein gläubiger Jude, dennoch zollte die Jüdische Gemeinde in Frankfurt am Main dem überzeugten Atheisten 1968 in einem Nachruf Anerkennung, nannte ihn einen guten Patrioten. "Wir Juden sind um Fritz Bauer ärmer geworden".



Fritz Bauer hatte entscheidenden Anteil an der Ergreifung des Leiters des "Judenreferats" im Reichssicherheitshauptamt, Adolf Eichmann. Vor dem Gericht in Jerusalem gab sich Eichmann 1961 als verfolgte Unschuld, als kleines Licht und Befehlsempfänger aus, über den viel mächtigere Leute bestimmt haben. Alles Leugnen und Beschönigen half nichts Eichmann wurde zum Tod verurteilt und am 1. Juni 1962 in einem Gefängnis bei Tel Aviv durch den Strang hingerichtet.



Breiten Raum nimmt in der Topographie des Terrors die so genannte Bewältigung der Vergangenheit im Zeichen des Kalten Kriegs und der Unwille großer Bevölkerungskreise in der Bundesrepublik Deutschland ein, sich offen und ehrlich ihrer Schuld zu stellen.



Gegenstände aus dem Besitz von Fritz Bauer, darunter auch eine von dem exzessiven Raucher benutzte Aschenschale aus Kristall, sind in der Ausstellung auf dem ehemaligen Gestapogelände im Bezirk Kreuzberg ebenso zu sehen wie Briefe, Fotos und Videos, Zeitungsausschnitte, Plakate und von dem Juristen verfasste Bücher. (Fotos: Caspar)

Die nach den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie nun wieder geöffnete Topographie des Terrors in Berlin dokumentiert in zwei Sonderausstellungen die Besetzung von Frankreich, Belgien, Luxemburg, Dänemark und Norwegen vor 80 Jahren durch die deutsche Wehrmacht sowie über den Juristen und "Eichmannjäger" Fritz Bauer. Die vom Fritz Bauer Institut in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Frankfurt gestaltete, bis 17. Oktober 2021 laufende Ausstellung würdigt in Bauer einen der bedeutendsten Juristen der bundesdeutschen Nachkriegszeit, als es noch hieß "Mein Kampf verbrannt, Hitler nicht gekannt".

Das wechselvolle, von Höhenflügen und Niederlagen geprägte Leben des Richters und Staatsanwalts wurde 2015 unter dem Titel "Der Staat gegen Fritz Bauer in der Regie von Lars Kraume verfilmt, der auch das Drehbuch schrieb. Der preisgekrönte Film schildert, wie es Bauer mit einigen Mitkämpfern gelingt, SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann in Argentinien aufzuspüren, so dass er in Israel vor Gericht gestellt und zum Tod verurteilt werden konnte. Den "Spediteur des Todes" in der Bundesrepublik Deutschland anzuklagen und zu verurteilen, gelang Bauer hingegen wegen vielfältiger Widerstände in der Regierung nicht. Der hessische Generalstaatsanwalt stieß auf vielfältige behördliche und gesellschaftliche Widerstände. Eigene, vielfach braunem Ungeist erlegene Kollegen machten ihm das Leben und Arbeiten auch wegen seiner damals noch strafbare Homosexualität schwer. Die Ausstellung der Topographie des Terrors berichtet, wie Bauer zu diesem für ihn heiklen Thema von der Polizei im dänischen Exil überwacht wurde und wie er sich mit gewundenen Worten aus der Affäre zog und eine ihn entlastende Ehe einging.

Flucht nach Dänemark und nach Schweden

Gegen erhebliche Widerstände und hinterhältige Verdächtigungen brachte der überzeugte Antifaschist und Sozialdemokrat nach seiner Rückkehr aus dem dänischen und schwedischen Exil als Staatsanwalt wichtige Strafverfahren gegen NS-Täter auf den Weg, insbesondere den Frankfurter Auschwitz-Prozess. Er hatte entscheidenden Anteil an der Ergreifung des ehemaligen Leiters des "Judenreferats" im Reichssicherheitshauptamt, Adolf Eichmann, dem 1961 in Israel der Prozess gemacht wurde. Die Ausstellung dokumentiert die Lebensgeschichte des mutigen Juristen, der 1930 zum jüngsten Amtsrichter der Weimarer Republik ernannt wurde. Schon vor 1933 wegen seiner konsequent demokratischen Haltung und seiner jüdischen Herkunft angefeindet, wurde er am Beginn der NS-Zeit aus dem Amt entlassen und kurzzeitig ins KZ geworfen. 1936 floh Bauer aus Deutschland erst nach Dänemark und nach dessen Besetzung durch die Deutschen nach Schweden und kehrte 1949 mit großen Erwartungen in die Heimat zurück, die aber bald enttäuscht wurden.

Seine Überzeugung, ein Staatsanwalt habe in erster Linie die Menschenwürde gerade auch gegen staatliche Gewalt zu schützen, revolutionierte das überkommene Bild dieses Amtes. Die Ausstellung, an deren Beginn Fritz Bauer Botschafter des Artikels 1, Grundgesetz "Die Würde des Menschen ist unantastbar" genannt wird, würdigt diese damals alles andere als selbstverständliche Haltung als wichtigen Schritt auf dem Weg der Demokratisierung in der frühen Bundesrepublik Deutschland. Wie schon in seiner Zeit vor 1933 als Amtsrichter in Braunschweig mühte sich der von manchen als Freiheitsfanatiker apostrophierte Jurist auch nach dem Krieg um eine Reform des Strafrechts und Strafvollzugs, wird in der Ausstellung betont. Bauer wollte nicht die Strafe, sondern die Resozialisierung im Vordergrund wissen. "Wie sehr Kriminalität seinerzeit noch als verfemt galt und nicht als gesamtgesellschaftliches Problem, zeigt die öffentliche Empörung, die Bauers Ansprache an Häftlinge mit ;Meine Kameraden' 1957 auslöste."

Dringend notwendige Verbesserungen im Strafvollzug

In dem vom sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Georg-August Zinn geführten "roten" Bundesland Hessen fand Fritz Bauer viel Rückhalt. Hier war er nicht mehr der auf einsamer Flur kämpfende, einflussloser Außenseiter, hier konnte er auch dringend notwendige Verbesserungen im Strafvollzug wie "offene" Strafanstalten mit gemeinsamen Tagesräumen durchsetzen. Große Mühe wandten Bauer und seine Mitstreiter darauf, Zeugen im In- und Ausland zu finden, die gegen ihre ehemaligen Peiniger hätten aussagen können. Ihm sowie dem Generalsekretär des Internationalen Auschwitzkomitees Hermann Langbein und weiteren Persönlichkeiten gelang es, den Bundesgerichtshof zu bewegen, das Verfahren gegen das SS-Personal des Vernichtungslagers Auschwitz in Frankfurt am Main stattfinden zu lassen. Der hessische Generalstaatsanwalt Dr. Fritz Bauer hatte über einen Journalisten Aufzeichnungen eines Holocaust-Überlebenden über die Mordmaschine in Auschwitz erhalten. Diese Erschießungslisten waren vom Lagerkommandanten Rudolf Höß und dem Namenskürzel seines Adjutanten Robert Mulka unterzeichnet.

Dem in Auschwitz tätigen Nazi- und Kriegsverbrecher Friedrich Wilhelm Boger kam man durch belastende Aussagen des in Haft sitzenden Adolf Rögner auf die Spur. Der nach dem Krieg von einer Spruchkammer als "vernünftiger, gut geschulter Kriminalbeamten" - wie viele andere NS-Täter auch - freigesprochene SS-Hauptscharführer Boger hatte Häftlinge auf sadistische Weise mit einer nach ihm benannten "Schaukel" verhört und gequält sowie mit Peitschen misshandelt. Außerdem ließ er Menschen wahllos erschießen und tat dies persönlich. Die "Bestie von Auschwitz" wurde wegen Mordes in mindestens fünf Fällen und gemeinschaftlichen Mordes zu lebenslanger Haft und zusätzlich 15 Jahren Zuchthaus verurteilt und starb 1977 in Haft. Ausgesprochen wurden im ersten Auschwitzprozess sechs lebenslange Zuchthausstrafen, eine zehnjährige Jugendstrafe und zehn Freiheitsstrafen zwischen dreieinhalb und vierzehn Jahren. Wegen Mangels an Beweisen kamen drei Angeklagte frei.

Fritz Bauer und seine Mitstreiter machten sich nicht überall Freunde. So erreichten zahlreiche Schmähungen das Gericht. In der Ausstellung ist eine Postkarte ausgelegt, in der Bauer von einem ominösen "Kölner Kreis und vom Mehlemer Kreis" als charakterloser Staatsanwalt diffamiert wird, der ein Volk zerstören will, statt für Recht, Ordnung, Moral und Sauberkeit zu sorgen.

Einsamer Tod in der Badewanne

Der erste Auschwitzprozess und weitere Verfahren fanden in der deutschen und ausländischen Öffentlichkeit ein geteiltes Echo. Dass Polizisten salutierten, als ehemalige SS-Angehörige den Gerichtssaal verließen, beschreibt eine weit verbreitete Meinung, wonach den Angeklagten Unrecht geschehen ist und sie keine Wahl hatten, als Befehle auszuführen. Nach den Auschwitz-Prozessen der 1960- und 1970-er Jahren gab es weitere Verfahren gegen SS-Leute, die in dem Vernichtungslager und weiteren Stätten des Grauens Dienst getan hatten. Fritz Bauer hat sie nicht mehr erlebt, denn er starb, verbittert über die Misserfolge und Anfeindungen, die er hatte hinnehmen müssen, am 1. Juli 1968 mit 65 Jahren unerwartet in seiner Badewanne eines natürlichen Todes, wie Untersuchungen ergaben. Vermutlich waren die chronische Bronchitis des starken Rauchers sowie Überarbeitung, Schlaflosigkeit und der Missbrauch von Schlaftabletten und Alkohol die Ursachen. Bauers Hoffnung, der Frankfurter Auschwitzprozess werde zu einer Art Gerichtstag der deutschen Gesellschaft über sich selbst werden, ging nur teilweise in Erfüllung, denn viele seiner Landsleute sahen bei sich keine Schuld, bezeichneten sich als Opfer ihrer Überzeugung, flüchteten sich in Befehlsnotstand und den Glauben in eine angeblich gerechte Sache. Außerdem verschanzten sich viele in Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verstrickte Menschen hinter der Behauptung, was "damals" Recht war, könne heute kein Unrecht sein.

Aufarbeitung im Zeichen des Kalten Kriegs

Bei vielen Verfahren zeigte sich, dass die stark noch von NS-belasteten Juristen durchsetzte westdeutsche Justiz nicht willens war, den ganzen Umfang der Naziverbrechen aufzuklären und zu ahnden, weshalb viele Naziverbrecher ungeschoren beziehungsweise mit geringen Strafen davon kamen und amnestiert wurden. In der Ausstellung wird das unter anderem am Beispiel der nationalsozialistischen Medizinverbrechen dokumentiert. Viele am so genannten "Gnadentod" von kranken und hilflosen Menschen beteiligten Mediziner und ihre Helfer konnten im deutschen Westen nach dem Krieg weiter machen, als sei nichts geschehen. Hingegen wurden Naziverbrechen in der Sowjetischen Besatzungszone beziehungsweise ab 1949 in der DDR rigoros verfolgt und geahndet. Im Zeichen des Kalten Kriegs kam es zwischen beiden deutschen Staaten nicht zum Austausch von Dokumenten. Hinweise aus der DDR an die Bundesregierung, dass dort und an anderer Stelle Naziverbrecher tätig waren oder sind, wurden ignoriert, wie auch die Ausstellung zeigt. In verschiedenen Gerichtsverfahren lehnte es die Bundesrepublik ab, Einsicht in brisante und belastende Akten in DDR-Besitz zu nehmen, weil das eine Art Anerkennung des zweiten deutschen Staates bedeutet hätte.

Verfahren in Israel gegen den "Spediteur des Todes"

Breiten Raum in der Ausstellung nehmen Fritz Bauers Mühen um die Aufspürung und Ergreifung von Adolf Eichmann 1960 in Argentinien ein. Der Jurist war Hinweisen auf den Aufenthalt des Nazi- und Kriegsverbrechers nachgegangen und schaltete den israelischen Geheimdienst ein, weil er fürchtete, deutsche Dienststellen könnten den "Spediteur des Todes" und Organisator des Holocausts warnen und würden seine Auslieferung in die Bundesrepublik verhindern. Sein Wissen teilte Bauer nur mit dem hessischen Ministerpräsident Zinn. "Erst nach seinem Tod kam Fritz Bauers Beteiligung an der Ergreifung Eichmanns an die Öffentlichkeit", wird in der Ausstellung festgestellt.

Dem Gericht in Jerusalem lagen erdrückende Beweise vor, so Bekenntnisse, die Eichmann im seinem argentinischen Exil 1957 gegenüber dem ehemaligen deutsch-holländischen Kriegsberichterstatter Willem Sassen abgelegt hatte. Der frühere SS-Untersturmführer nahm Eichmanns Lebensgeschichte auf Tonband auf, um sie eines Tages zu veröffentlichen. Mit Eichmann als Kronzeugen wollte er die Zahlen über den Mord an den europäischen Juden herunterrechnen. Eichmann, der sich in Argentinien Ricardo Klement nannte, stellte sich in den Unterhaltungen als pflichtbewusster, seinem Führer treu ergebener und "idealistischer Nationalsozialist" dar. "Mich reut gar nichts. Ich krieche in keinster Weise zu Kreuze. […] Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, hätten wir von den 10,3 Millionen Juden, die Korherr [Richard Korherr, der Chefstatistiker des SS-Hauptamtes, nach dem Krieg Ministerialrat im Bundesministerium der Finanzen, H. C.], wie wir jetzt wissen, ausgewiesen hat, 10,3 Millionen Juden getötet, dann wäre ich befriedigt und würde sagen, gut, wir haben einen Feind vernichtet. […] Ich war unzulänglicher Geist und wurde an eine Stelle gesetzt, wo ich in Wahrheit mehr hätte machen können und mehr hätte machen müssen", sagte Eichmann zu Sassen. Alles Kleinreden und die Behauptung, nur ein kleines Rad im großen Getriebe des NS-Staates gewesen zu sein, nutzten Eichmann nicht, und so endete der Massenmörder und Schreibtischtäter am 1. Juni 1962 am Galgen.

Das Buch zur Ausstellung "Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht" aus der Schriftenreihe des Fritz Bauer Instituts, Frankfurt am Main, erschien bereits 2014 im Campus Verlag Frankfurt am Main, hat 300 Seiten, zahlreiche Abbildungen und kostet 29,90 Euro (ISBN 978-3-593-50105-5). (Fotos: Caspar)

24. Juni 2021

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