Kommt und seht
Skulpturenausstellung "Ideal und Form" ehrt in der Friedrichswerderschen Kirche Schinkel, Schadow und weitere berühmte Künstler



Die Ausstellung "Ideal und Form" in der Friedrichswerderschen Kirche zeigt Arbeiten aus Marmor, Gips und Bronze. Sie entstammen der Skulpturensammlung der Alten Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin.



Hier geht der Blick zum Ausgang, auf der Empore darüber werden Leben und Werk von Karl Friedrich Schinkel gewürdigt. Nach seinen Plänen war das neogotisch gestaltete Gotteshaus von 1824 bis 1830 erbaut worden.



Das von Johann Gottfried Schadow geschaffene Selbstporträt sowie die Büsten der Prinzessin Friederike und von Schadows Frau Marianne zeigen, mit welcher Meisterschaft es dem Berliner Bildhauer und Grafiker gelang, menschliche Mimik und Ausstrahlung in Gips und Stein zu formen.



Die Denkmäler von Christian Daniel Rauch, des Begründers der klassischen Altertumskunde Joachim Winkelmann und sowie von Karl Friedrich Schinkel standen ursprünglich in der Säulenhalle des Alten Museums und ziehen nun in der Ausstellung "Ideal und Form" bewundernde Blicke auf sich.



Johann Gottfried Schadow schaut in eine imaginäre Ferne, doch er steht ganz fest auf dem Erdboden. Dem königlichen Gemahl gefiel Schadows anmutige Darstellung seiner Gattin Luise und ihrer Schwester Friederike nicht, hier auf einem älteren Foto. Das Modell kehrt hoffentlich bald in die Friedrichswerdersche Kirche zurück. Das Original aus Marmor steht in der Alten Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin auf der Museumsinsel.



Schadow ist in der Friedrichswerderschen Kirche unter anderem mit dem aufwändiger gestalteten Grabmal des Grafen Friedrich Wilhelm von Arnim-Boitzenburg vertreten, das die trauernde Witwe mit den Attributen von Treue (Hund) und Liebe (Myrtenkranz) vertreten.

Nach rund achtjähriger Schließzeit öffnete die Friedrichswerdersche Kirche am 27. Oktober 2020, um wenige Tage später wegen der neuen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gleich wieder geschlossen zu werden. Jetzt, ein Dreivierteljahr später, kann man das Karl-Friedrich Schinkel, Johann Gottfried Schadow, Christian Daniel Rauch und anderen bedeutenden Künstlern des 19. Jahrhunderts gewidmete, zur Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel gehörende Museum ohne Anmeldung, aber mit "Maske" vor dem Mund von Dienstag bis Sonntag ab 10 Uhr bei freiem Eintritt besuchen. Unter dem Motto "Ideal und Form. Skulpturen des 19. Jahrhunderts" wird zu einem Rundgang durch ein wichtiges Stück Kunst- und Kulturgeschichte zwischen Spätbarock, Klassizismus und Moderne eingeladen.

Hommage an bedeutende Künstler

Die Gelegenheit, Meisterwerke der Berliner Bildhauerkunst kennenzulernen, wird gern angenommen. Nach dem Motto "Kommt und seht", das wir einer begeisterten Beschreibung des 1830 eröffnete Alte Museum am Lustgarten entnehmen, kann man sich in der lichtdurchfluteten Halle nicht genug satt sehen. Gleich eingangs begrüßt der Bildhauer und Grafiker Johann Gottfried Schadow, von Hugo Hagen in Marmor gemeißelt, die Besucherinnen und Besucher. Sie sehen einen freundlich dreinblickender Mann mit einem Käppchen auf dem Kopf und einem von Bildhauern benutzten Greifzirkel in der Hand. Das Standbild schmückte einst zusammen mit denen von Christian Daniel Rauch (von Friedrich Drake) sowie von Karl Friedrich Schinkel (von Christian Friedrich Tieck, vollendet von Hermann Wittig) und Johann Joachim Winckelmann (von Ludwig Wichmann) die Säulenhalle des Alten Museums. Ihre Präsentation an einem solch prominenten Ort war eine Hommage an bedeutende Künstler, die wesentlich zur Ausgestaltung der preußischen Haupt- und Residenzstadt beigetragen beziehungsweise im Fall von Winckelmann im 18. Jahrhundert die Grundlagen der klassischen Altertumskunde gelegt haben.

Manche Bildwerke sind alte Bekannte, andere wie eine Galerie von Porträtbüsten aus Marmor oder Gips sowie dunkel schimmernde Bronzen wurden eigens für diese Schau dem Depot entnommen. Gezeigt werden vollplastische Arbeiten sowie Reliefs und Modelle von großartigen Vertretern der Berliner Bildhauerschule des 19. Jahrhunderts wie Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch, aber auch von Reinhold Begas, Adolf Brütt, Gustav Heinrich Eberlein, Katharina Felder, Adolf von Hildebrand, August Kiss, August Kraus, Heinrich Kümmel, Elisabeth Ney, Ridolfo Schadow, Jean-Pierre Antoine Tassaert, Christian Friedrich Tieck, Louis Tuaillon, Ludwig Wichmann, Emil Wolff und anderen.

Prinzessinnen lassen auf sich warten

Noch nicht zu sehen ist die berühmte, von Johann Gottfried Schadow geschaffene Doppelstatue der Prinzessinnen Luise und Friederike von Mecklenburg-Strelitz. Die in Gips modellierte Ikone der klassizistischen Bildhauerkunst, die als Vorlage für Ausführungen aus Marmor diente und gut erkennen lässt, wie der Bildhauer an seinem Werk gearbeitet hat, wartet in einer Restaurierungswerkstatt auf die Rückkehr in die Friedrichswerdersche Kirche. Der Sockel steht schon, und wer möchte, darf sich darauf stellen und wie die mit dem späteren König Friedrich Wilhelm III. und seinem Bruder Ludwig verheirateten Prinzessinnen für Fotos posieren. Mit dem lieblichen Porträt der Mecklenburgerinnen hatte Hofbildhauer Schadow wenig Glück. Friedrich Wilhelm tat das Werk mit dem lapidaren Satz "Ist mir fatal!" ab, also peinlich oder unangenehm. Das später so gelobte Werk hatte in der Tat wenig Majestätisches an sich, dafür aber für Damen dieses Ranges viel Charme und Liebreiz. Sie Frauen sind geradezu bürgerlich aufgefasst, ganz ohne Insignien ihres Standes, und man sieht ihnen auch nicht an, dass sie aus fürstlichem Haus kommen.

Der schon recht betagte Schadow hat Jahrzehnte später in seinem Erinnerungsbuch die Ablehnung seiner Doppelstatue, die als Vorbild für Figuren der Königlichen Porzellanmanufaktur diente, nicht näher reflektiert. Er bemerkte lediglich, der Künstler, also er selber, habe an dem Modell "in stiller Begeisterung" gearbeitet. "Der Kopfputz der Kronprinzessin (Luise) und die Binde unter dem Kinn sollte eine Schwellung decken, die am Halse entstanden war, nachmals aber wieder verschwand". Dieses Detail sei von den Damen jener Zeit "als Mode nachgeahmt" worden, fügte der Künstler hinzu. Ursprünglich wollte Schadow der Kronprinzessin Luise ein Blumenkörbchen in die Hand drücken. Doch wurde das wohl als unschicklich empfunden, denn die künftige Königin von Preußen konnte unmöglich wie ein Blumenmädchen auftreten. Deshalb wechselte der Bildhauer das anstößige Utensil durch ein Tüchlein aus. Schadows Werk blieb lange der Öffentlichkeit verborgen. Erst im späten 19. Jahrhundert hat man es ans Licht geholt und einer begeisterten Öffentlichkeit vorgestellt. Heute zieht die marmorne Prinzessinnengruppe in der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel bewundernde Blicke auf sich, während das Gipsmodell in der Friedrichswerderschen Kirche wenige hundert Meter entfernt betrachtet werden kann, wenn es denn die Restaurierungswerkstatt verlassen haben wird.

Gedenken an Karl Friedrich Schinkel

Manche von der früheren Ausstellung bekannte und lieb gewordene Objekte wie Reliefs von Schinkels Bauakademie sind nicht mehr zu sehen, dafür aber andere hochkarätige Arbeiten sowie Bronzegüsse und auf der Empore Bildnisbüsten von Künstlern, Politikern und anderen Persönlichkeiten. Da die Friedrichswerdersche Kirche auch eine Gedenkstätte für ihren Erbauer Karl Friedrich Schinkel ist, kann man sich auf der Empore mit seinem Leben und seinem Werk in Gestalt von Sakral- und Profanbauten sowie Entwürfen für Theaterdekorationen, Denkmälern, Möbeln und anderen Objekten vertraut machen und auch seine Familie seine Freunde kennenlernen. Die Wiedereröffnung der Friedrichswerderschen Kirche wird von den zuständigen Gremien hoffentlich als Ansporn gesehen, den seit Jahren geplanten und immer wieder verschobenen Wiederaufbau der Schinkelschen Bauakademie in der Nähe nun endlich in Angriff zu nehmen.

Von Karl Friedrich Schinkel geplant, wurde die Friedrichswerdersche Kirche von 1824 bis 1830 und damit nahezu zeitgleich mit Schinkels Altem Museum erbaut. Dem Architekten schwebte ein hell erleuchtetes Gotteshaus vor. "Der ganze innere Raum der Kirche ist frei ohne Hindernis im Sehen und Hören von einer angemessenen Anzahl großer, nicht zu hoch liegender Fenster erleuchtet." Die Friedrichswerdersche Kirche überstand den Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, blieb aber stehen und wurde nicht wie die benachbarte Bauakademie abgerissen. Die Kirchenruine wurde zunächst gesichert und von 1979 bis 1986 von der DDR-Denkmalpflege sorgsam restauriert. Die Wiedereröffnung und erstmalige Nutzung als Museum zur Erinnerung an Karl Friedrich Schinkel mit Werken der Bildhauerkunst seiner Zeit durch die Staatlichen Museen zu Berlin erfolgte 1987 anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins. Die während des Kriegs ausgebauten und sichergestellten Scheiben im Kirchenchor mit den Engelsbildern sowie im Schutt gefundene farbige Glasscherben leisteten gute Dienste bei der Wiederherstellung der Fenster mit ihren köstlichen Einrahmungen in den für Schinkel charakteristischen Farben Blau, Gelb, Rot und Violett.

Dicht belagert durch Neubauten

Die Friedrichswerdersche Kirche am Werderschen Markt in Berlin musste fast zehn Jahren geschlossen werden, weil eine umfangreiche, ja unsensible Bautätigkeit in nächster Nähe massive Schäden an dem neogotischen Gotteshaus festgestellt wurden. Deshalb waren umfassende Sicherungs- und Sanierungsarbeiten an der zwischen 1824 und 1830 erbauten Kirche in Sichtweite des Humboldt Forums nötig. Der Ärger über den allzu ruppigen Umgang mit Schinkels Meisterwerk durch das Bauunternehmen und seine Architekten sitzt tief und ist bis heute nicht überwunden. Es gibt kein Verständnis dafür, dass der Berliner Senat es zuließ, dass die Kirche von sehr teuren Wohnhäusern regelrecht belagert wird und fundiert vorgebrachte Warnungen in den Wind geschlagen wurden.

7. Juli 2021

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