Aufbruch nach Utopia
Berliner Museum für Kommunikation dokumentiert Technikvisionen und was aus ihnen geworden ist





In seiner obersten Etage lädt das Berliner Museum für Kommunikation zum Besuch der Ausstellung "Back to Future" ein. Auch ohne diese und weitere Ausstellungen ist das aus der Kaiserzeit stammende, nach Kriegsbeschädigungen weitgehend wiederhergestellte Gebäude einen Besuch wert.



Die aus Frankfurt am Main übernommene Ausstellung im Museum für Kommunikation an der Leipziger Straße zeigt, wie im Kaiserlichen Postamt die neue Rohrpost bedient wird, daneben unterhält sich ein Mann mit einer Frau per Bildtelefon, die beiden Bilder stammen aus den Jahren 1877 und 1918.



Zu welchen tollen, freilich nicht ungefährlichen Erfindungen menschlicher Geist fähig ist, angefangen von einer nach Art der Rohrpost fahrenden Untergrundbahn bis zu einem mit Dampfkraft angetriebenen Schaukelpferd, nimmt die farbige Grafik aus dem Jahr 1868 satirisch aufs Korn.



Die Postkarte rät, sich vor dem Weltuntergang am 19. Mai 1901 noch schnell per Himmelsleiter auf den Mond in Sicherheit zu bringen.



Zahllose alte Bücher beschäftigen sich mit Zukunftsthemen, und manches, was da beschrieben ist, hat in unserem Alltag Platz gefunden.



Die Ultraschall messende Metallhand weist zu Beginn der Ausstellung auf Nutzen und Risiken von Behandlungen durch Roboter hin.



Mit dem Communicator läutete die finnische Firma Nokia 1996/7 das Zeitalter des Büros in der Westentasche ein. Mit dem Gerät konnte man telefonieren sowie SMS, Fax und E-Mails versenden, brauchte aber lange Zeit dafür. Der Speicher hatte eine Größe von acht Megabyte, die heute zwei Fotos in hoher Auflösung benötigen würden



Es ist noch nicht lange her, da standen in unseren Wohnungen, Büros, Werkstätten und an anderen Orten heute urtümlich anmutende Computer, Telefone und weitere Geräte, und auch Zettelkästen waren weit verbreitet.(Fotos/Repros: Caspar)

Schon immer haben Menschen versucht, um aus Vorhandenem etwas Neues zu machen, Entfernungen zu überbrücken und abzukürzen, in unbekannte Räume vorzudringen und sich durch Erfindungen aller Art den Alltag zu erleichtern. Unsere Altvorderen haben sich Gedanken um das gemacht, was die Erde im Innersten zusammenhält, um mit Goethe zu reden, und was sich um uns herum bewegt. In der bis zum 28. August 2022 laufenden Ausstellung "Back to Future - Technikvisionen zwischen Fiktion und Wirklichkeit" schildert das Museum für Kommunikation an der Leipzigerstraße in Berlin technische Erfindungen und gesellschaftliche Utopien und was aus ihnen wurde. Die Dokumentation ist eine Übernahme aus dem Museum für Kommunikation in Frankfurt am Main, die wegen der gefährlichen Coronalage 2020 ihre volle Wirkung nicht entfalten konnte, wie Kuratorin Katja Weber beim Rundgang erklärte.

Der Bau des Reichspostmuseums geht auf eine Idee des Reichspostmeisters Heinrich von Stephan (1831-1897) zurück, der damit auch die Technikbegeisterung seiner Zeit reflektierte. In dem Neorenaissance-Bau wurden historische und aktuelle Zeugnisse der Post- und Verkehrsgeschichte einschließlich der Einrichtungen in Poststationen und Telegrafiebüros, aber auch Postwertzeichen, Briefe, Formulare und ähnliches einem "anständig gekleideten Publikum" gezeigt. Damit wurde das Berliner Postmuseum die erste Einrichtung dieser Art auf der Welt.

Hoffen auf ewige Jugend

In den mit Bildern, Videos, Kunstinstallationen sowie musealen Gegenständen versehenen Themenräumen in der obersten Etage des ehemaligen Kaiserlichen Postmuseums geht es um die schon in uralten Texten diskutierte Optimierung des Menschen und die Frage, wie man sie vor Krankheiten schützen und ihr Leben durch den legendären Stein der Weisen und medizinische Künste verlängern kann und ob "ewige Jugend" überhaupt wünschenswert ist. Sodann erfährt man einiges über die Mühen früher und heute, Räume und Zeiten zu überwinden, demonstriert an Flugapparaten aller Art, aber auch am Vorstoß ins All und auf den Mond sowie in die Tiefen der Meere. Dorthin zu gelangen, hat man sich vor über hundert Jahren recht einfach vorgestellt. Science-Fiction-Autoren wie Jules Verne erreichten mit ihren Schilderungen ein Riesenpublikum.

Im Raumfahrtzeitalter zog das fantasievoll ausgemalte und in der Ausstellung durch Romane, Comics und Filmausschnitte dokumentierte das Leben auf fernen Galaxien unzählige Leser und Zuschauer in den Bann, und kaum jemand hat gefragt, ob es in der Einsamkeit da draußen überhaupt erstrebenswert ist. In einer Science-Fiction Trilogie über das 20. Jahrhundert von 1883 bis 1887 sah der französische Schriftsteller und Zeichner Albert Robida wenig Gutes voraus, als er schrieb: "Sie werden ihren Alltag im Räderwerk einer total mechanisierten Welt verbringen, in einem Maße, dass ich mich frage, wie sie noch die einfachsten Freuden genießen wollen, die uns zur Verfügung stehen: Stille und Einsamkeit."

Viel bodenständiger ging es beim Bestreben zu, Nachrichten schnell und unkompliziert von einem Ort zum anderen zu versenden. Die Ausstellung demonstriert das am Beispiel der von der Firma Siemens gebauten und 1865 nach Londoner Vorbild eröffneten Berliner Rohrpost. Sie war so erfolgreich, dass sie in weiteren deutschen Städten wie Bremen, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Nürnberg und Stuttgart, aber auch im Ausland eingerichtet wurde. Wie die Rohrpost in Sekunden Sendungen von einer Ecke der Stadt in die andere schickte, kann man im Museum an anderer Stelle erleben, wie überhaupt in der neuen Ausstellung angesprochene Themen in den großzügig gestalteten Museumsräumen, aber auch im Deutschen Technikmuseum an der Trebbiner Straße in Berlin-Kreuzberg weiter vertieft werden. Zu nennen wären die Funktechnik, Telefonie, Rundfunk und das Fernsehen.

Das drahtlose Jahrhundert

Wagemutige, in ihrer Zeit vielfach verlachte Visionäre haben sich bereits im frühen 20. Jahrhundert mit der Frage befasst, wie man Töne und Bilder drahtlos von einem Ort zum andern übertragen kann und wie Gerätschaften funktionieren, um zu schauen, was andere Leute gerade tun und wie man mit ihnen per Bildtelefonie in Kontakt treten kann, damals noch Fernseh-Sprechdienst oder Telefonoscope genannt. In dem Buch von Robert Sloss "Das drahtlose Jahrhundert" von 1910 wird beschrieben, wie Menschen eines Tages mit einem Empfänger herumgehen, "der irgendwo, am Hut oder anderswo, angebracht und auf eine der Myriaden von Vibrationen eingestellt sein wird, mit der er gerade Vibrationen sucht." In der Geschichte geht es unter anderem um einen Mann, der hingerichtet werden soll, in letzter Minute aber durch einen beherzten Anruf bei dem gerade auf der Jagd befindlichen Kaiser begnadigt wird.

Indem die Ausstellung einen Blick in die Gegenwart und Zukunft tut, weist sie auf die Vor- und die Nachteile des Internets und der sozialen Medien sowie die überall lauernden Gefahren durch ihren Missbrauch hin. Dass unser Handy, Smartphone, Computer und andere Geräte klobige und dazu sehr teure Vorläufer hatten, wird ebenso gezeigt wie manche Erfindungen, die sich nicht durchgesetzt haben, zu sehen etwa auf futuristischen Bildern von einer Stadt, in der Flugapparate dicht an dicht herumschwirren und jederzeit miteinander kollidieren können. Dass Luftverkehr etwas ganz anderes und viel gefährlicher ist als das Fahren auf der Straße hat damals die vom technischen Fortschritt elektrisierten Menschen offenbar nicht angefochten.

Überwindung von Zeit und Raum

Da die Überwindung von Raum und Zeit seit eh und je ein großes Thema ist, macht die Ausstellung mit erst utopischen und dann realen Unternehmungen bekannt, in den Weltraum vorzudringen und vielleicht den Mond oder den Mars zu besiedeln. Science-Fiction-Autoren und -Autorinnen haben Fantasie und Wissenschaft verbunden und tun es auch heute, gefolgt von mehr oder weniger ernsthaft gemeinten Filmen, die bei ihrem Erscheinen ein gewaltiges Echo im Publikum fanden und heute als irgendwie komisch und aus der Zeit gefallen belächelt werden.

Unter den Vordenkern und Konstrukteuren waren manche, die man in ihrer Zeit als Spinner verlacht hat und denen man heute mit Respekt begegnet. Was da auf dem Gebiet der Robotik und Künstlichen Intelligenz erdacht und manchmal auch verwirklicht wurde, wird mit "geballter Kraft" in dieser ungewöhnlichen Ausstellung vorgeführt. Doch nicht alles, was sich Wissenschaftler und Tüftler ausgedacht haben, tut Menschheit und unserem Globus gut. Das von Technikenthusiasten vor Jahrzehnten bejubelte Wachstum hat seine Grenzen, und da wir nur diese eine Erde haben, müssen wir aufpassen, dass wir sie nicht in eine unbewohnbare Hölle verwandeln, lautet die Botschaft dieser ungewöhnlichen Ausstellung. Sie macht Hoffnung, dass die Welt durch kluges Handeln und Vorsicht beim Umgang mit den Ressourcen vor dem Inferno bewahrt wird.

. 3. Dezember 2021



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