Wunderwerk der Steinbearbeitung
Die Granitschale im Lustgarten fand als vaterländisches Denkmal Bewunderung, und Johann Erdmann Hummel hat sie gemalt





Blick von der Freitreppe des Alten Museums auf die Granitschale von 1834 hinüber zum Humboldt-Forum. Darunter die Alte Nationalgalerie auf der Museumsinsel, in der deutsche und ausländische Maler und Bildhauer des 19. und frühen 20. Jahrhunderts mit hochkarätigen Werken vertreten sind.





In der Nationalgalerie werden auch Hummels Entwurfszeichnungen gezeigt, auf denen er die mühevolle Aufrichtung der Schale zeigt und wie er sich die Verteilung der Figuren auf dem noch zu schaffenden Gemälde vorstellt.





Damen und Herren des biedermeierlichen Berlin betrachten die auf dem Lustgarten aufgestellte Granitschale, die in einer Werkstatt nebenan mit Hilfe einer Dampfmaschine ihre Kontur und Politur erhielt.





Einige Werke von Johann Erdmann Hummel sind Kriegsverluste. An ihrer Stelle werden Fotos gezeigt.



Karikaturisten haben sich mit Wonne über der Schale hergemacht und schildern, dass man sie auch zum Baden und als großen Suppentopf nutzen kann. In der Nazizeit hat man die Granitschale beiseite geräumt, erst zu Schinkels 200. Geburtstag von Karl Friedrich Schinkel kehrte sie vor das Alte Museum zurück. (Fotos/Repro: Caspar)

Granit ist ein besonders harter Stein. Seine Bearbeitung erfordert viel Geschick, Kraft und Ausdauer, und die brauchte man auch für die berühmte Granitschale, die am 10. November 1834 auf dem Berliner Lustgarten feierlich der Öffentlichkeit übergeben wurde und sogleich zu einer Attraktion der preußischen Haupt- und Residenzstadt avancierte. Der auf Berlin-Ansichten spezialisierte Maler Johann Erdmann Hummel (1769-1852), schuf eine Bilderfolge über die Herstellung und Aufstellung der Granitschale und zeigte dabei auch, wie sich die Betrachter in dem polierten Stein spiegelten. Der in solche Reflexe verliebte Künstler erhielt daher den Namen "Spiegel-Hummel". Zu sehen ist die gemalte Granitschale sowie Entwurfszeichnungen dazu und zahlreiche weitere Gemälde bis 20. Februar 2022 in einer Sonderausstellung der Alten Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel. Auf den Stufen des Alten Museums stehend, hat man eine gute Sicht auf das mit der Barockfassade des 1950 abgerissenen Stadtschlosses geschmückte Humboldt-Forum und vorn auf die berühmte Granitschale, in die sich Hummel regelrecht verliebt hat.

Der 1769 in Kassel geborene Künstler war zu seiner Zeit bekannter als heute. Die Sonderausstellung in der obersten Etage der Nationalgalerie holt ihn den Professor für Perspektive, Optik und Architektur an der Berliner Akademie der Künste in die Gegenwart und würdigt ihn erstmals wieder nach langer Zeit als scharfen Beobachter und genialen Maler und Zeichner. In der Zeit, da andere Künstler romantische, wild bewegte Landschaften und arkadische Gefilde schufen, war Hummel der Mann nüchterner Sachlichkeit und Detailfreudigkeit und einer, den man durchaus als Vorläufer der Neuen Sachlichkeit ein Jahrhundert später bezeichnen kann. Ab 1904 konnte Hugo von Tschudi, der Direktor der Nationalgalerie, mit den Bildern "Die Schachpartie", "Das Schleifen der Granitschale" und "Die Granitschale im Berliner Lustgarten" drei Hauptwerke Hummels erwerben. Erst 1924 hat die Nationalgalerie dem 1852 in Berlin verstorbenen Maler eine Gedächtnisausstellung gewidmet. Die heutige Ausstellung umfasst insgesamt etwa 45 Gemälde und 50 Zeichnungen von Hummel sowie einige ausgewählte Werke der Neuen Sachlichkeit. Da einige Bilder zu den Kriegsverlusten der Staatlichen Museen gehören, können nur schwarz-weiße Großfotos gezeigt werden.

Raffinierte Spiegelungen und magisches Licht

Die Ausstellung betont, kein anderer zeitgenössischer Künstler habe ein solches Interesse an raffinierten Spiegelungen, räumlichen Verschachtelungen und magischen Beleuchtungen gehabt wie Hummel. In seinem Oeuvre und damit auch in der Ausstellung sind Porträts ebenso vertreten wie Landschaften und Figuren in Innen- und Außenräumen und eben auch die Serie mit der Granitschale, die auf der Berliner Akademieausstellung viel Aufmerksamkeit fand und von Johann Christian Gottlieb Cantian erworben wurde. Der bekante Steinmetz und Bauunternehmer hatte den Auftrag, den aus den Rauenschen Bergen bei Fürstenwalde nach Berlin transportierten riesigen Findling in eine Granitschale zu verwandeln. Hummel hat die Arbeiten begleitet und zeigt auf einem der fotografisch genauen Bilder, wie Cantian links vor dem alten Dom stehend die erst provisorisch aufgestellte Granitschale betrachtet. Um ihn herum betrachten andere Berliner das Wunderwerk der Steinbearbeitung, das in einer Werkstatt nicht weit vom Lustgarten mit Hilfe einer Dampfmaschine den letzten Schliff und seine vielgerühmte Politur erhielt.

Mit einem Durchmesser von sieben Metern gilt die Schale als ein Wunderwerk der Steinbearbeitungstechnik. Von König Friedrich Wilhelm III. in Auftrag gegeben, ist sie keiner bestimmten Person und auch keinem besonderen Ereignis gewidmet wie die vielen anderen Denkmäler in Berlin, und trotzdem hat man die in sieben mühevollen Arbeitsjahren, zwischen 1827 und 1834, geschaffene Großplastik immer auch als ein vaterländisches Denkmal gefeiert. Wie das damals für Denkmäler, Brückengeländer, Laternen und auch für filigranen Schmuck sowie das 1813 gestiftete Eiserne Kreuz verwendete Eisen genoss auch der in Form von Findlingen in der Eiszeit herbeitransportierte heimische Granit als "patriotischer Stoff" allgemeine Verehrung. In dem "Neuesten Coversations-Handbuch für Berlin und Potsdam" aus dem Jahre 1834 schrieb Leopold von Zedlitz, das eben erst aufgestellte "wahre Meisterstück" reihe sich an die verschiedenen Kunstdenkmäler der Hauptstadt an. In der Tat, das tonnenschwere Werk sucht seinesgleichen, hat keine Vorbilder und keine Nachfolger, zumindest was Form, Größe und Gewicht betrifft.

Bearbeitung mit Hilfe einer Dampfmaschine

In dem Berlin-Lexikon ist weiter zu erfahren, man habe die Schale, "zu deren Bearbeitung es großartige Vorbereitungen erfordert hatte, … auf einem besonders dazu erbauten Gerüst und auf einem durch den Forst zu diesem Zweck gehauenen Weg auf ein Schiff transportiert". Die "seltsame Ladung" traf am 9. November 1828 nach langer, beschwerlicher Reise am Kupfergraben ein, nicht weit vom späteren Aufstellungsort, und wurde dann "mit Hülfe einer Dampfmaschine in einem zu diesem Behuf, in der Nähe des neuen Packhofes, besonders gebauten Hause" vollendet und poliert. Cantian beschäftigte bis zu einhundert Personen nur für die Bearbeitung und den Transport der Schale einsetzte. Das rötlich schimmernde Kunstwerk war eine große Herausforderung für den Bauunternehmer und seine Arbeiter, denn er besaß bis dahin nur Erfahrungen mit kleineren Objekten, etwa Denkmalssockeln oder Gefäßen aus Granit.

Dass die Schale auf dem Lustgarten steht und nicht, wie ursprünglich geplant, die Rotunde des 1830 eröffneten Altem Museums schmückt, hat seine besondere Bewandtnis. Cantian hatte die Schale aus dem gewaltigen Markgrafenstein meißeln lassen. Die Dimensionen waren so gewaltig, dass man die fertige Schale nicht in der mit antiken Figuren geschmückten Rotunde aufstellen konnte. Das Gewicht war zu groß, und außerdem hätten ihre Dimensionen das subtile Raumgefüge förmlich erschlagen. So wurde entschieden, die Schale vor Berlins erstem öffentlichen Museum aufzustellen. In das kreisrunde Vestibül kam eine nicht ganz so gewaltige viereckige Malachitschale als Geschenk des russischen Zaren Nikolaus I. an seinen Schwiegervater Friedrich Wilhelm III.

Suppenschüssel kehrte 1981 wieder zurück

Die große Suppenschüssel, wie die Berliner die Schale respektlos nannten, wurde 1934 im Zusammenhang mit der Umgestaltung des Lustgartens in einen Aufmarschplatz der Nazis in die Anlagen nördlich des Doms versetzt. Dort überstand sie den Zweiten Weltkrieg, wurde aber durch Einschüsse beschädigt. Zum 200. Geburtstag von Karl Friedrich Schinkel im Jahr 1981 hat der Ost-Berliner Denkmalschutz die Schale vor dem Schinkel'schen Säulenbau neu aufgestellt, wo sie bewundernde Blicke zahlloser Museumsbesucher und Berlin-Touristen auf sich zieht. Bei der Restaurierung hat man die vielen Schussverletzungen aus den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs nicht geglättet und damit kaschiert, und dass ein Stück Schalenwand ausgebrochen war und wieder eingefügt wurde, sieht man dem in der warmen Jahreszeit von Berlinern und ihren Gästen umlagerten, im Winter mit einem riesigen Deckel zum Schutz vor Wasser und Eis bedeckten Kunstwerk durchaus an.

1. November 2021

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