"Schrecklich schön"
Berliner Humboldt-Forum zeigt Relikte vom alten Schloss sowie historische Elfenbeinarbeiten / Eintritt in den ersten 100 Tagen frei





Das am 20. Juli 2021 feierlich eingeweihte Humboldt-Forum ist auf einen großen Besucheransturm eingerichtet. Größtes und schönstes Exponat ist der Schlüterhof, in dem man ausruhen und einen Imbiss zu sich nehmen kann.



Das Foyer hinter dem Portal 3 ist für große Veranstaltungen gut eingerichtet. Hinten link ist der Zugang zum Schlosskeller.





Von uralten Pfahlgründungen stammende Baumstämme weisen den Weg zum Schlosskeller, wo man freigelegte Mauerreste und archäologische Fundstücke wie bemalte Keramik sowie Gegenstände aus Metall und Holz betrachten und sich in die lange Geschichte des Hohenzollernschlosses einfühlen kann. Zu sehen sind auch technische Anlagen, die in der Kaiserzeit zur Heizung des Riesenbauwerks eingerichtet wurden.



Im Jahr 2010 legten Archäologen die Fundamente des 1950 auf Befehl der SED und ihres Anführers Walter UIbricht frei. Sie fanden nicht nur Kellerräume und Gänge, Zimmer und Treppen, sondern auch kultur- und kunstgeschichtlich interessante Gegenstände aus Keramik, Metall und Stein. Das im Schlosskeller neben alten Mauern ausgestellte Relief mit dem Pelikan war Teil einer Grabanlage aus der Renaissancezeit. Der Vogel, der mit dem aus der Brust gesaugten eigenen Blut seine Jungen nährt, galt in alten Zeiten als Symbol aufopfernder Nächstenliebe.





Für die Elfenbein-Ausstellung wurden mehr als 200 Objekte aus Berliner Sammlungen (Foto links Arbeit von Balthasar Permoser im Besitz des Kunstgewerbemuseums) und weiteren Museen zusammengetragen. Das Gemälde oben rechts bildet den Inhalt einer barocken Kunst- oder Wunderkammer ab. Im Foto darunter rechts ist ein von Archäologen gefundener Rest eines Kachelofens zu sehen.



Ein von einem wutentbrannten Elefanten zerstörtes Auto der Tierschutzorganisation "Save the Elephants" kam aus Kenia nach Berlin.





Im Skulpturensaal sind beim Abriss 1950 gerettete Figuren und andere Relikte aus der Barockzeit ausgestellt. Die Steintrümmer dienten heutigen Bildhauern als Vorlage für Kopien, mit denen die Barockfassaden außen und im Inneren geschmückt sind. (Fotos: Caspar)

Am 19. Juli lud die Stiftung Humboldt-Forum Journalisten zur Besichtigung der ersten Ausstellungen und in bisher für die Öffentlichkeit unzugängliche Räume ein. Ab 20. Juli können sechs Ausstellungen vom Schlosskeller bis zum ersten Obergeschoss besichtigt werden: die Geschichte des Ortes, eine Würdigung der Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt, ferner unter dem Titel "Schrecklich schön. Elefant - Mensch - Elfenbein" eine Ausstellung mit alten und neuen Elfenbeinarbeiten, außerdem " Nimm Platz! Eine Ausstellung für Kinder" und schließlich "Nach der Natur" und "BERLIN GLOBAL". Die von Kulturprojekte Berlin und dem Stadtmuseum Berlin gestaltete interaktive Ausstellung zeigt hier anhand in den sieben Themenräumen "Revolution, Freiraum, Grenzen, Vergnügen, Krieg, Mode und Verflechtung" Verbindungen zwischen Berlin und der Welt.

Eine temporäre Installation auf der Treppe in das zweite Obergeschoss sowie eine Projektion wirft einen Blick auf die vom Ethnologischen Museum und dem Museum für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin geplanten Ausstellungen. Alle diese Ausstellungen richten den Blick auf das Innere der Stadt und von ihr nach draußen, und sie arbeiten wichtige geschichtliche Ereignisse auf. Angesprochen werden mit ihnen Menschen gleich welcher Herkunft und welchen Alters, und gezeigt werden museale Kostbarkeiten ebenso wie Installationen und Videos vor unterschiedlichen Klangteppichen.

Festakt unter dem Motto "Endlich offen!"

Die Ausstellungen wurden von den Staatlichen Museen zu Berlin, der Humboldt-Universität, dem Stadtmuseum und den Kulturprojekten Berlin gestaltet. Künstlerische Darbietungen und Diskussionsveranstaltungen sowie die Ausstellungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst können erst in den kommenden Monaten besucht werden. In den ersten hundert Tagen ist der Eintritt in alle Ausstellungen frei, es wird ein großer Ansturm erwartet. Nachdem die Eröffnung im vergangenen Jahr wegen der Corona-Restriktionen ausgefallen und nur digital möglich war und außerdem die Höfe des Humboldt-Forums monatelang für die Öffentlichkeit gesperrt war, startete das Humboldt-Forum am 20. Juli 2021 mit einem Festakt unter dem Motto "Endlich offen!", bei dem Kulturstaatsministerin Monika Grütters, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und Generalintendant Hartmut Dorgerloh sprachen und dabei auch auf die lange und kontrovers diskutierte Baugeschichte des neuen Kulturzentrums mit der Barockfassade und weiter zurück die der 1950 abgerissenen Hohenzollernresidenz zurück blickten. "Heute übergeben wir der Öffentlichkeit - nicht nur in Deutschland, sondern der ganzen Welt - ein Museum neuen Typs, das die Tradition der Aufklärung und das Ideal des friedlichen Dialogs der Kulturen ganz im Sinne der Humboldt-Brüder erfahrbar macht", sagte bei in der Feierstunde Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Damit empfehle sich Deutschland heute als Partner in der Welt, wenn es darum geht, dem Fremden mit Neugier zu begegnen, statt es abzuwehren und abzuwerten. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller betonte, mit dem Humboldt Forum gewinne die Mitte der Hauptstadt einen neuen Anziehungspunkt. "Es Forum will und wird Impulsgeber sein für intellektuelle Debatten in Berlin und weit darüber hinaus. Es wird die kulturelle und intellektuelle Neugier wecken sowie zur Verständigung zwischen den Kulturen beitragen. Wir wollen an die Vergangenheit anknüpfen, um Neues entstehen lassen." Generalintendant Hartmut Dorgerloh sagte, der Deutsche Bundestag habe 2002 zwei wichtige Entscheidung getroffen - die Teilrekonstruktion des Berliner Schlosses und dessen Nutzung als Humboldt Forum. "Heute finden Hülle und Inhalt zusammen und ich lade alle dazu ein, aus Berlin, aus Deutschland und aus der ganzen Welt, dieses neue Zentrum für Kultur und Wissenschaft in Berlins historischer Mitte mitzugestalten. Nur gemeinsam werden wir ein Forum und darauf freue ich mich."

Da die Staatlichen Museen als Raubkunst ausgewiesene Objekte wie die berühmten Benin-Bronzen an Nigeria und weitere aus kriminellen und trüben Quellen stammende Hinterlassenschaften kolonial unterdrückter Völker an die Ursprungsländer zurückgegeben werden, darf man gespannt sein, was an ihrer Stelle zu sehen sein wird. Die Stiftung Humboldt-Forum und alle anderen Institutionen stellen sich mit allem Ernst und großer Offenheit der Frage, wie aus ehemaligen deutschen und ausländischen Kolonien geraubte Museumsgüter nach Berlin gelangt sind. Dass mit ihnen große politische und kulturgeschichtliche Probleme verbunden sind, haben die wenigsten am Ausstellungskonzept beteiligten Personen und Institutionen vor zehn oder mehr Jahren nicht geahnt.

Meterdicke Fundamente und Fundstücke im Schlosskeller

Man kann sich in dem neuen Kulturtempel am Berliner Schlossplatz durchaus verlaufen, aber zahlreiche freundliche Menschen helfen, dass man ohne Umwege ans Ziel kommt. In meinem Fall waren es zunächst der Schlosskeller, in dem meterdicke Fundamente des ehemaligen Hohenzollernschlosses eine Ahnung vermitteln, welche Mühe es bedurfte und welch großen Mengen an Ziegelsteinen gebrannt und vermauert werden mussten, um die Hohenzollernresidenz auf sicherem Fundament zu gründen. Vor einigen Jahren hatten Archäologen unter einer dicken Asphaltschicht befindliche Gewölbe und Mauern im Zusammenhang mit dem Abriss des aus DDR-Zeiten stammenden Palasts der Republik, der Beseitigung eines Parkplatzes davor sowie dem Wiederaufbau des Stadtschlosses als neuer Kultur- und Wissenschaftsstandort freigelegt und waren dabei zu stadt- und baugeschichtlich interessanten Erkenntnissen gelangt.

Im Schlosskeller sind diese stattlichen Relikte sparsam beleuchtet, man kann sich in dem Raum zwischen den Mauern durchaus verlaufen. In Vitrinen liegen Reste von alten Ofenkacheln und bunt bemalten Porzellanen laus, dazu auch Grabbeigaben sowie Haushaltsgegenstände und sogar alte Zapfhähne aus Metall. Grafiken zeigen, wie es in den unterirdischen Stuben der Schlosswache und ihres Kommandanten zuging, und auch sonst helfen kleine Bilder zu verstehen, was in den Höfen und den Katakomben des Schlosses vor sich ging. Ein verrosteter Ventilator erinnert daran, dass in der Kaiserzeit eine moderne Heizungsanlage eingebaut wurde. Über der Treppe, die in die Katakomben führt, sind Baumstämme installiert, die vor ewigen Zeiten in den schwankenden Boden auf der Berliner Schlossinsel gerammt wurden, um der Hohenzollernresidenz Halt zu gewähren.

Afrikas blutbesudeltes weißes Gold

Bereits im vergangenen Jahr sollte die Ausstellung "Schrecklich schön. Elefant - Mensch - Elfenbein" gezeigt werden. Erst jetzt kann man sie besuchen und wird ebenso fasziniert wie erschüttert sein, was da rund um das "weiße Gold" aus Afrika gezeigt wird. Wer die Ausstellung besucht wird die enge Verbindung von Gewalt, Ausbeutung, Sklaverei und Verbrechen mit den Stoßzähnen der Dickhäuter verbunden sind, die Tiere ausgerottet werden, nur an ihr Elfenbein zu kommen, um es profitabel vermarkten zu können. Wie sich von Wilderei und Ausbeutung betroffene Staaten gegen das Abschlachten der Elefanten zur Wehr setzen und gegen Elfenbeinjäger vorgehen, zeigen Fotos und Videos, auf denen im Dienste des Artenschutzes zu großen Scheiterhaufen aufgerichtete, mit Blut besudelte Stoßzähne öffentlich und medienwirksam verbrannt werden.

Bereits vor 40.000 Jahren haben Menschen aus den Stoßzähnen des Mammuts figürliche Darstellungen von Menschen und Tieren, aber auch Musikinstrumente, Schmuck und Alltagsgegenstände geschaffen. Die Exposition zeigt dazu uralte Kostbarkeiten, und sie demonstriert, warum die Stoßzähne der Tiere schreckliche Symbole für Unrecht und Gewalt sind. Die schen Veranstaltungsprogramm sowie verschiedenen Vermittlungsangeboten. In der Ausstellung werden mehr als 200 Objekte gezeigt. Die Wertschätzung des Materials zieht sich durch zahlreiche Kulturen verschiedener Kontinente bis heute. Die Stoßzähne selbst und daraus gefertigte Gegenstände waren stets Objekt menschlicher Begierde und damit Geschenke, Handelsware und Raubgut. Die Jagd nach Elfenbein hat die Elefanten zu einer bedrohten Art werden lassen. In der Ausstellung hört man, wie ein zu Tode getroffener Elefant lautstark um sein Leben kämpft. Das zu sehen und zu hören ist wenig angenehm, aber notwendig für einen neuen Blick auf die schönen Elfenbeinschnitzereien, mit denen in der Renaissance und dem Barock fürstliche Kunst- und Wunderkammern geschmückt waren.

Neben der Ausstellung "Schrecklich schön" läuft eine Diskussions- und Filmreihe, es gibt einen Thementag, eine Publikation und andere Angebote, die die welt- und epochenumspannende Bedeutung des Elfenbeins und die sozialen und ökologischen Folgen seiner Verwendung beleuchtet. Die Schau vereint Erkenntnisse aus verschiedenen Wissens- und Forschungsgebieten von der der Anthropologie und Archäologie bis zur Kunstgeschichte, Religionswissenschaft und Zoologie. Sie rollt die uralte Kulturgeschichte des Elfenbeins anhand ausgewählter Exponate aus verschiedenen Epochen auf und zeigt, wie virtuos Elfenbein bearbeitet wurde, welchen Einfluss Elfenbein auf die Medizin hatte und wie es das Ideal des schönen Menschen "weiß wie Elfenbein" prägte.

INFO: Das Humboldt-Forum am Berliner Schlossplatz ist Mittwoch bis Montag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Im Prestel Verlag erschien das Buch "Geschichte des Ortes", das 184 Seiten hat und 15 Euro kostet. Diese und weitere Publikationen hält der Museumsshop bereit, es gibt auch ein reichhaltiges gastronomisches Angebot. Weitere Informationen unter www.humboldtforum.org.

Siehe auch Einträge auf dieser Internsetseite (Museen, Ausstellungen) vom 11. Januar 2021 über das Berliner Schloss als Münzstätte und Alchemielabor und vom 16. Februar 2021 über die lateinischen Inschriften an der Fassade.

21. Juli 2021

Zurück zur Themenübersicht "Ausstellungen, Museen, Denkmalpflege"