Von Raffael bis Cranach und Dürer
Gemäldegalerie am Berliner Kulturforum nimmt uns mit in die berühmte Sammlung Solly





Die Ausstellung "Die Sammlung Solly 1821-2021. Vom Bilder-,Chaos' zur Gemäldegalerie" ist bis zum 16. Januar 2022 in der Gemäldegalerie am Kulturforum Dienstag bis Freitag 10 bis 18 Uhr und am Wochenende 11 bis 18 Uhr geöffnet. Anhand rund 35 ausgewählter Werke präsentiert die Ausstellung die Vielschichtigkeit und Breite der Sammlung Solly und beleuchtet den Wandel in der Wertschätzung damals "historische Merkwürdigkeiten" genannten Werke.



Vom Meister LS stammt das Bildnis eines jungen Mannes in kostbarer Eisenrüstung. In der aktuellen Ausstellung ist das einzige, von Wilhelm Hensel gezeichnete Porträt des Sammlers zu sehen, der ab 1819 in London lebte und von dort aus den Verkauf seiner Berliner Sammlung organisierte.



Unter den Bildern, die Solly vor zweihundert Jahren dem preußischen Staat verkaufte, sind die Maria mit dem Kind von Raffael (um 1502), Albrecht Dürers Bildnis des Kurfürsten Friedrich des Weisen (um 1500) und das Porträt des Kaufmanns Georg Gisze von Hans Holbein dem Jüngeren (1532).



Der erst 32 Jahre alte, recht bleiche Kaiser Karl V. und der sächsische Herzog Johann Friedrich der Großmütige wurden von Christoph Amberger (um 1532) und Lucas Cranach dem Älteren gemalt (ohne Jahresangabe).



Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament sowie gemalte Heiligenlegenden sind in der Sammlung Solly reichlich vertreten.



Die von Puccio di Simone um 1345 gemalten Tafeln gehören zu einem Altar, die Solly gekauft und abgegeben hatt. Die Bildnisse von Johannes dem Evangelisten und Johannes dem Täufer schmückten bis 1883 einen Kirchaltar in Halberstadt. Sie wurden vor einiger Zeit wiederentdeckt und an die Berliner Gemäldegalerie zurück gegeben.



Dreidimensional aufgefasst sind die von Simon Marmion grau in grau gemalten Szenen aus dem Leben des Heiligen Bertin.



Aus dem Geheimen Staatsarchiv und dem Archiv der Staatlichen Museen zu Berlin ans Licht geholt wurden die in einem Nebenraum ausgelegten Akten über den vor 200 Jahren erfolgten Ankauf der Sammlung Solly. (Fotos: Caspar)

Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 stand Preußen mächtiger denn je dar und spielte im Konzert der europäischen Völker eine wichtige Rolle. König Friedrich Wilhelm III. hatte im März 1813 zu einem heiligen Krieg gegen Napoleon I. und seine Truppen aufgerufen und fand bei seinen Untertanen ein begeistertes Echo. Wie groß war ihre Enttäuschung, als er sich nach dem Sieg über Frankreich und der zweimaligen Abdankung seines Kaisers weigerte, seine Reformversprechen einzuhalten, und auch die angekündigte Verfassung nicht erließ. Stattdessen schloss sich Preußen mit Russland und Österreich zur Heiligen Allianz mit dem Ziel zusammen, Freiheitsbestrebungen in Preußen, Deutschland und Europa mit Waffengewalt zu unterdrücken und Oppositionelle in den Kerker zu werfen.

Diese Politik brutaler Repression einschließlich der Unterdrückung der freien Presse und widerständigen Geistes stand im merkwürdigen Kontrast zum Aufblühen von Kunst und Kultur, Handwerk und Gewerbe in Preußen und war auch anderswo zu beobachten. Modernisierer wie Karl vom und zum Stein und Wilhelm von Humboldt resignierten und zogen sich ins Privatleben zurück. Andere Reformer wie Karl August von Hardenberg wurden mit klangvollen Titeln und wertvollen Geschenken in die auf Machterhalt der bestehenden Ordnung ausgerichtete Politik einbezogen. In der Revolution von 1848/9 entlud sich der im Volk angesammelte Frust und Stau, und viele liegen gebliebene Reformideen kamen erneut auf die Tagesordnung. Doch da die feudale Eliten auf dem Standpunkt standen, dass in Preußen nur Könige Revolutionen machen dürfen, blieb bis zur nächsten Revolution im November 1918 vieles beim Alten.

Grundstock der Berliner Gemäldegalerie

Friedrich Wilhelm III. kam mit weiteren Siegern der Befreiungskriege nach Paris und sah sich dort auch in Museen um. Er sorgte dafür, dass die nach 1806 aus Preußen von den Franzosen aus preußischen Schlössern geraubten Gemälde, Skulpturen einschließlich der Quadriga vom Brandenburger Tor nach Berlin und Potsdam zurück gebracht wurden. Außerdem kaufte er 1815 die Sammlung des Marchese Vincenzo Giustiniani vor allem mit antiken Skulpturen und Gemälden französischer, holländischer und italienischer Meister. Diese Bilder und die aus der 1821 erworbenen Sammlung von Edward Solly bildeten den Grundstock der Berliner Gemäldegalerie.

Die Präsentation der zurück geführten Kunstwerke im Akademiegebäude Unter den Linden war für den Monarchen und seine Berater ein Anlass, ältere Pläne neu zu beleben, in Berlin ein öffentliches Museum zu gründen. Die in königlichem Besitz befindlichen Kunstgegenstände sollten nicht mehr in den Schlössern und Gärten in Berlin und Potsdam "vereinzelt" werden jedermann zugänglich sein. Nach langem Zögern entschloss sich Friedrich Wilhelm III., von weitsichtigen Ratgebern wie Wilhelm von Humboldt und dem Archäologen Aloys Hirt ermuntert, nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel am Lustgarten ein Museum erbauen zu lassen und es auch mit Kunstwerken aus seinem Besitz sowie angekauften Gemälden, Skulpturen und anderen Hinterlassenschaften auszustatten.

Freistätte für Kunst und Wissenschaft

Dem Alten Museum als Keimzelle der Staatlichen Museen zu Berlin schlossen sich im Laufe des 19. Jahrhunderts weitere Museen auf der Museumsinsel an. Das lange Zeit nur als Lagergelände und für Gärten genutzte Areal entwickelte sich mit kräftiger Förderung durch die Könige von Preußen nach und nach zu einer "Freistätte der Kunst und Wissenschaft". Mit der Eröffnung des Museums am Lustgarten am 3. August 1830 machte sich Friedrich Wilhelm III. ein besonderes Geschenk. An seinem 60. Geburtstag eröffnete er den klassizistischen Säulenbau und soll "sehr beeindruckt" gewesen sein, wie Zeitgenossen berichten. Während es anderswo bereits öffentliche Museen gab, in Paris, London oder München etwa, zog Berlin erst jetzt mit einem besonders prächtig gestalteten Haus nach. Das Publikum strömte in Scharen herbei, denn der Eintritt war frei und die Neugier groß.

Die Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin erinnert bis zum 16. Januar 2022 in einer Sonderausstellung am Kulturforum an den Kunstsammler Edward Solly, der 1821, vor nunmehr 200 Jahren, den Königlichen Museen seine Sammlung von Bildern aus dem 15. und 16. Jahrhundert für den damals immensen Preis von 500 000 Talern verkauft hatte und später noch einen "Nachschlag" bekam. Die Finanzierung war möglich, weil der König einen namhaften Betrag aus seinem Privatvermögen beigesteuert hatte. Die Sonderausstellung ehrt einen oft unterschätzten Kunstfreund und Sammler ebenso ehren wie Gründer des Königlichen Museums wie Schinkel, Hirt und den Kultusminister Karl von Stein zum Altenstein. Zu sehen sind großformatige Altarbilder und Teile von ihnen, aber auch Porträt von Persönlichkeiten aus der Zeit vor und nach 1500 sowie Landschaften und andere Motive. Die Sonderschau fügt sich ein in eine Ausstellung mit Gemälden, Skulpturen, Goldschmiedearbeiten aus der Zeit der Spätgotik.

Verzicht auf mehr als 3000 Gemälde

Der aus England stammende, in Berlin ansässige und reich gewordene Holz- und Getreidehändler hatte früher als andere Kunstexperten und Sammler die Bedeutung der im Zusammenhang mit der Aufhebung von Klöstern und der Renovierung von Kirchen ausrangierten Werke erkannt und sie systematisch durch Zwischenhändler und auf Aktionen erworben. In seinem Haus in der Berliner Wilhelmstraße brachte Solly über 3000 Gemälde vor allem aus Italien, Deutschland und den Niederlanden zusammen und zeigte manche Stücke interessierten Besuchern. Zum Verzicht auf seine Sammlung war Solly angesichts finanzieller Probleme seiner Firma genötigt. Das passierte ein Jahrhundert übrigens dem Sammler und Mäzen James Simon, nach dem das Eingangsgebäude der Museumsinsel und ein Park in der Nähe benannt sind.

In der Ausstellung am Kulturforum sind Künstler wie Raffael, Cranach, Holbein der Jüngere und Dürer, aber auch manche Unbekannte vertreten. In einem Seitenkabinett wird anhand von 200 Jahre alten Dokumenten geschildert, wie es zu dem spektakulären Ankauf kam und dass er nicht jedermanns Sache war. Die Kritik einiger Zeitgenossen hatte sicher auch damit zu tun, dass im Hause Solly ziemliches Chaos herrschte und die Bilder wenig ansehnlich und fachmännisch präsentiert wurden. Der Bildhauer Christian Friedrich Tieck wird in der Ausstellung mit den Worten zitiert, mit Ausnahme von etwa 12 Bildern sei "das Übrige aus der Rumpelkammer und so vieles Geld nicht wert". August von Goethe berichtete seinem Vater nach Weimar, die Bilder seien "an und über einander gehäuft in 30-40 Zimmern in Küchen, Remisen und so weiter, dass die Decken brechen möchten, und Sie werden dann gestehen, dass man ganz verwirrt werden kann." Andere Zeitgenossen erkannten das Potential der einzigartigen Kollektion, die im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts zu einer der weltweit führenden Galerie ausgebaut wurde, ergänzt durch die Nationalgalerie, die sich vor allem den Gemälden und Skulpturen zeitgenössischer Künstler widmete und auf der Museumsinsel ein eigenes Haus erhielt, die Alte Nationalgalerie.

Einzigartige Gelegenheit ergriffen

Mit den Worten "Nie ist die Gelegenheit zu einer so außergewöhnlichen Acquisition so schön geboten worden, und ewige Ruhe müsste folgen, wenn die Gelegenheit vorüberginge", warb Aloys Hirt 1819 für den Ankauf. Edward Solly konnte es nicht fassen, dass sich Preußen um seine Sammlung bemüht. Im gleichen Jahr stellte der Sammler fest, anfänglich habe er nicht geträumt "mich in einem unternehmen welches nur Souveraine gebühret einzulassen." Der Erwerb der "Sollysche Sammlung" für den preußischen Staat war ein unschätzbarer Glücksfall für die Berliner Museen und eine mutige kulturpolitische Investition. Unternehmergeist und Kunstbegeisterung, politischer Reformwillen und staatliche Finanzierung, verbunden mit persönlichem Engagement hatten zwischen 1815 und 1821 dazu geführt, heißt es bei den Staatlichen Museen, "dass in Berlin ein Gemäldeschatz ungekannter Qualität entstand, aus dem eine international bedeutende und impulsgebende öffentliche Gemäldesammlung hervorging. Die Sammlung Solly brachte an die Spree, was bis dahin hier niemand gesehen hatte." Berlin habe mit der Sammlung Solly und dem Kauf weiterer Kollektionen und von einzelnen Bildern eine enzyklopädische Gemäldesammlung von Weltrang bekommen.

Siehe auch Eintrag auf dieser Internetseite (Museen) vom 2. August 2021

9. Dezember 2021



Zurück zur Themenübersicht "Ausstellungen, Museen, Denkmalpflege"