Stadtmuseum vor großen Aufgaben
Paul Spies erläuterte Umbaumaßnahmen im Quartier am Köllnischen Park und hätte lieber heute als morgen die Waisenbrücke zurück



Paul Spies präsentiert das Modell des aus der Kaiserzeit stammenden Marinehauses. Nach Sanierung und Umbau wird das Gebäude ein bedeutender Kulturstandort mit Vortragssälen, Künstlerateliers und großzügigen Ausstellungsflächen sein.





Das im Juni 1908 eröffnete Märkische Museum ist ein bemerkenswertes Konglomerat von Bauten, die märkischer Bachsteingotik und der Architektur der Renaissance nachempfunden wurden. Der Turm mit dem Dach aus grün patiniertem Kupfer wird durch einen Fahrstuhl und Treppen erschlossen und für neue Aufgaben vorbereitet. Das Märkische Museum besitzt zahlreiche verwinkelte Säle, die beim nun anstehenden Um- und Ausbau bequemer und barrierefrei erreicht werden sollen. Das gilt auch für den Hof, der in der warmen Jahreszeit für Konzerte und andere Veranstaltungen genutzt wird und dies künftig besser tun soll.



Auf seine Wiedereröffnung wartet das Knoblauchhaus zwischen Nikolaikirche und Ephraimpalais.



Die verrostete Tresortür in der Ausstellung "Berlin Global" repräsentiert wie kaum ein anderes Exponat das Auf und Ab in der Berliner und deutschen Geschichte





Ein in BERLIN GLOBAL aufgestellter Apparat aus der Kaiserzeit lädt ein, durch kleine Öffnungen Szenen aus dem Alltag und der Geschichte zu betrachten. Darunter machen Installationen mit Berliner in Vergangenheit und Gegenwart bekannt.



. Nur wenige museale Objekte werden wie diese in der Berliner Textilindustrie so wichtige Nähmaschine neben einem Foto vom antijüdischen Boykott der Nazis am 1. April 1933 gezeigt.



Man muss viel Zeit und Geduld aufbringen, um sich durch die an Wänden und in den Räumen hängenden Tafeln und Bilder zu kämpfen.(Fotos: Caspar)

Die Stiftung Stadtmuseum wurde durch die Pandemie schwer in Mitleidenschaft gezogen und hofft, den Rückfall auch hinsichtlich der Besucherzahlen durch neue Angebote und interessante Ausstellungsthemen wieder wettmachen zu können. Auf einer Pressekonferenz der Stiftung Stadtmuseum Berlin im Humboldt-Forum haben Kultursenator Klaus Lederer und Museumschef Paul Spies am 13. September 2021 gegenwärtige und künftige Aufgaben des Stadtmuseums bis 2025 erläutert. Der Masterplan sieht unter anderem umfassende Sanierungs- und Umbauarbeiten am und im Märkischen Museum vor. Es wird im kommenden Jahr geschlossen und, wenn alles gut geht, nach drei Jahren wieder eröffnet. Bis auf Weiteres ist das die bürgerliche Berliner Salonkultur repräsentierende Knoblauchhaus neben der Nikolaikirche im Nikolaiviertel geschlossen. Wegen der Corona-Bestimmungen können nur wenige Besucher in die kleinen Räume mit Biedermeier-Interieur gelassen werden, und das lohnt sich angesichts des großen Aufwandes an Aufsichtspersonal wirtschaftlich nicht, bedauert Spies.

Museums- und Kreativquartier am Köllnischen Park

Kultursenator Klaus Lederer erklärte, der Masterplan 2025 vertiefe und baue Bestehendes aus, entwickle es weiter und enthalte neue Angebote und Themen. "Dabei stehen die aktuellen Entwicklungen in der Welt, ihre Auswirkungen auf das Land und die Stadt im Fokus und werden in den Austausch zwischen den Gestaltern und Besuchern eingebunden. Paul Spies zufolge habe die Corona-Pandemie etablierte Konzepte und Denkmodelle auf den Kopf gestellt, die Klimakrise sei nicht mehr wegzureden, und es gelte, sich mit populistischen und antidemokratischen Strömungen auseinander zu setzen. Staunendes Verharren vor Ausstellungsvitrinen und bildungsbürgerliche Wissensvermittlung, so gut das sein mag, reiche heute nicht mehr aus. Vielmehr sei Mitmachen und Mitdenken gefordert. "In den vergangenen fünf Jahren habe ich Berlin in seiner Vielschichtigkeit und seinen Unterschieden kennen- und schätzen gelernt. Diese Erfahrungen sind auch in unsere Arbeit eingeflossen. Als Stadtmuseum wollen wir die Vielseitigkeit der Stadt aufgreifen und darstellen sowie eine stärkere Einbindung der Zivilgesellschaft und insbesondere der jungen Generation erreichen. Das versuchen wir mit der Ausstellung BERLIN GLOBAL im Humboldt-Forum. So planen wir es auch für das Museums- und Kreativquartier am Köllnischen Park, das jetzt Gestalt annimmt."

Das über hundert Jahre alte, nach Plänen von Ludwig Hofmann erbaute Märkische Museum wird nach strengen Vorgaben des Denkmalschutzes gereinigt, repariert und neu strukturiert und erhält an der Straße einen neuen, barrierefreien Eingang. Künftig wird man die Ausstellungsbereiche ohne Umwege und störendes Treppensteigen besuchen und auch den Hof, in dem alte Skulpturen und andere Relikte aus der Berliner Geschichte zu sehen sind, besser nutzen können. Der bisher leer stehende Turm, den Hoffmann wie das gesamte Gebäude in der Art brandenburgischer Backsteinbauten gestaltet hat, wird fürs Publikum und die Kunst geöffnet und erhält neue Treppen und einen Fahrstuhl. Hier ist auf drei Ebenen Gelegenheit, neue Kunst kennenzulernen und eine ganz tolle Sicht, wie Spies sagt, auf die Stadt und die Spree zu genießen. Nach wie vor fordert der Museumsdirektor den Bau der Waisenbrücke, die bis zu ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg eine wunderbare Verbindung zum Stadtzentrum war und wichtig ist, um das Museumsquartier am Köllnischen Park neu und besser erschließen zu können. Die Chancen stehen nicht schlecht, Planungen sind im Gange. Das am 26. September 2021 neu gewählte Abgeordnetenhaus und der neue Senat müssen nur noch Entscheidungen treffen und Geld locker machen. Zu diesem Punkt hüllte sich Kultursenator Lederer in beredtes Schweigen.

Ausstellung BERLIN GLOBAL im Humboldt-Forum

Mit Eröffnung von BERLIN GLOBAL im Humboldt-Forum besitzt das Stadtmuseum nach dem Märkischen Museum und den Museen Ephraimpalais, Nikolaikirche, Knoblauchhaus und dem in die frühe Geschichte der Region führenden Freilichtmuseum Düppel im Bezirk Zehlendorf einen sechsten Standort. Der siebente Objekt ist das dem Märkischen Museum gegenüberliegende Marinehaus, das voraussichtlich 2025/2026 nach umfassender Sanierung und Umgestaltung eröffnet wird. Das aus der Kaiserzeit stammende, seit Jahren leer stehende und daher ziemlich marode frühere Offizierskasino mit einem ehemaligen Tanzsaal darin muss umfassend von Dach bis Keller entkernt, saniert und restauriert werden. Das Gebäude und seine bisher ungenutzte Dachzone erhalten interessante Aufgaben als Heimstatt von Ateliers und Werkstätten und wird viele Veranstaltungen sehen. Das alles war schon vor zehn Jahren geplant, nun aber scheint das ehrgeizige Projekt endlich Gestalt zu gewinnen. Berlin gewinnt ein neues Kulturzentrum, und auch die etwas abgelegene Gegend in der Nähe des S-Bahnhofs Jannowitzbrücke wird spürbar aufgewertet.

Die Stiftung Stadtmuseum ist im Humboldt-Forum mit BERLIN GLOBAL vertreten und zeigt einen bunten Mix aus Exponaten aus der Stadtgeschichte und großflächigen Wandbildern, was Berlin für die Welt ist und wie die Welt auf die Stadt einwirkt. Der Stiftung geht es um ein breit gefächertes Angebot an Bildern und Informationen, das auch "museumsfremde" Personen und junge Leute anspricht. Am Beginn lädt die Stahltür vom Tresorraum im ehemaligen Wertheim-Kaufhaus, das im Nationalsozialismus enteignet und im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war, zum Besuch ein. Nach 1989/90 wurde der "Tresor" als weltbekannter Techno-Club zum Sinnbild eines neuen Berliner Zeitgeistes und die bewegte Geschichte der Stadt. 2005 schloss der Club, das Gelände am Leipziger Platz wurde neu bebaut und das Kellergewölbe abgerissen. Erhalten blieb nur noch diese verrostete Tür.

Intensive Provenienzforschung

Nach dem "Kraftakt Humboldt-Forum" steht laut Paul Spies jetzt das Museumsquartier am Köllnischen Park mit dem Märkischen Museum und dem jahrzehntelang vernachlässigten Marinehaus gegenüber im Mittelpunkt aller Anstrengungen der Museumsstiftung. Das über hundert Jahre alte, nach Plänen von Ludwig Hofmann erbaute Märkische Museum wird nach strengen Vorgaben des Denkmalschutzes gereinigt, repariert und neu strukturiert und erhält an der Straße einen neuen, barrierefreien Eingang. Künftig wird man die Ausstellungsbereiche ohne Umwege und störendes Treppensteigen besuchen und auch den Hof, in dem alte Skulpturen und andere Relikte aus der Berliner Geschichte zu sehen sind, besser nutzen können.

Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Stadtmuseums haben die leider noch nicht beendete Corona-Zeit weitgehend ohne Besucherverkehr für Forschungsarbeiten genutzt und die Präsentation von tausenden Objekten im Internet genutzt. Darüber hinaus wurde die Recherche über die Herkunft von Museumsgütern intensiviert, die auf oftmals verschlungenen Wegen während der Zeit des Nationalsozialismus aus jüdischem Besitz und/oder Raubgut aus den von der deutschen Wehrmacht besetzten Ländern und nach 1945 durch Enteignungen der Besitzer ins Märkische Museum gelangten. Paul Spies nannte in diesem Zusammenhang die so genannten Reichsbankmöbel wohl aus französischem Besitz sowie Kunstgewerbe und Gemälde, deren Herkunft mühsam ermittelt wird, wenn das überhaupt nach so langer Zeit noch möglich ist.

14. September 2021

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