Zwischen Geld und Glauben
Zur Ausstellung im Westfälischen Museum für religiöse Kultur in Teltge erschein ein interessanter Katalog



Der Holzschnitt von 1572 warnt vor Wucher und anderen "schädlich ding auff Erden" und rät zu ehrlicher Kunst und Handel. Der Tod zieht an der Waage in der Hand des um sein Leben bangenden Kaufmanns. Ihm nutzt sein Geld nichts, wenn die letzte Stunde kommt, lautet die Moral auf einem Holzschnitt zum Thema Totentanz. Geldhandel zum Nutzen der einfachen Leute ist gut, bedarf aber der Aufsicht eines Engels, der mit dem Finger auf Bilder aus der Hölle zeigt, in der alle schmoren müssen, die die christlichen Gebote nicht befolgen und sich am Elend anderer bereichern.



Die englische Radierung von 1834 schildert die Anbetung eines in goldener Kutsche fahrenden Geldsacks.



Die Görlitzer Schekel sind reine Fantasieprodukte, doch hat das den Glauben an ihre wundertätigen Eigenschaften nicht erschüttert.



Nachdem der braunschweigische Herzog Christian Paderborn erobert hatte, ließ er 1622 aus dem Silber des Liborius-Schreins die gegen die Katholiken gerichteten Pfaffenfeindtaler prägen.



Der Holzschnitt von 1572 warnt vor Wucher und anderen "schädlich ding auff Erden" und rät zu ehrlicher Kunst und Handel.



Unter Gläubigen waren die Georgtaler aus der Grafschaft Mansfeld mit der Aufschrift BEI GOT IST RATH UND THAT besonders begehrt und wurden besser als andere bezahlt.



Mit den Sterntalern von 1772 hat Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel die Hinterbliebenen der in Nordamerika verbluteten Hessen "entschädigt".



Die Feilstriche auf der Rückseite des bayerischen Madonnentalers von 1795 zeigen, dass man die Silberkrümel als Heilmittel nutzte. (Fotos Caspar/Repros aus dem besprochenen Katalog)

Das RELíGIO - Westfälisches Museum für religiöse Kultur in Telgte ist ein noch junges Museum. Es befasst sich mit der Religiosität der Menschen früher und heute in Westfalen und darüber hinaus. Wie andere Museen, Gedenkstätten und weitere Kultureinrichtungen in Deutschland war die 2011 aus dem Krippenmuseum Telgte und dem Museum Heimathaus Münsterland gebildete Sammlung wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Für 2020 war die vom Freundeskreis Relígio sowie der Sparkasse Münsterland Ost und die Provinzial Kulturstiftung geförderte Sonderausstellung "Geld & Glaube in Judentum, Christentum und Islam" geplant, doch kann sie wegen der Corona-Pandemie erst jetzt gezeigt werden.

In der bis Ende August 2021 laufenden Ausstellung und in dem von Anja Schöne und Malin Drees herausgegeben Katalog (Verlag für Regionalgeschichte Bielefeld 2021, 100 Seiten, zahlreiche meist farbige Abbildungen, 14,90 Euro, ISBN 978-3-7395-1217-7) geht es um Anleitungen in den Heiligen Schriften des Judentums, des Christentums und des Islam für den Umgang mit Geld und materiellen Gütern, aber auch um die Bereitschaft der Gläubigen, durch wohltätige Spenden Gutes an den Mitmenschen zu tun und dem Missbrauch des sprichwörtlichen Mammon zu begegnen. Erörtert wird, warum alles am Golde und nach Golde drängt, um aus Johann Wolfgang von Goethes "Faust" zu zitieren. Im zweiten Teil der Tragödie spricht der Geiz aus, wovon viele Menschen träumen: "Wie feuchten Ton will ich das Gold behandeln, / Denn dies Metall lässt sich in alles wandeln." Höflinge erklären dort dem Kaiser, was man mit den wohlfeil hergestellten Banknoten begleichen und mit ihnen mühelos und auf wundersame Weise Rechnung für Rechnung bezahlen kann. Erfreulich findet man am kaiserlichen Hof auch, sich mit Hilfe solcher Scheine aller Höllenpein zu entledigen, Grundbesitz zu erwerben und Soldaten zu bezahlen. "Der Landsknecht fühlt sich frisches Blut, / Und Wirt und Dirnen haben's gut". Mit diesen "Zauberblättern" könne man alles machen, flüstern die Ratgeber ihrem Herrn zu. Sie öffnen jede Tür, machen Unmögliches möglich.

Zinsverbot und Wohltätigkeit

Anja Schöne und Sebastian Steinbach schildern in ihrem Einführungsbeitrag, warum Geld und Glaube seit frühester Zeit eng miteinander verwoben sind und warum der sprichwörtliche Mammon die Menschen zu den Todsünden Habsucht und Gier verführt und alle drei Religionen neben dem Verbot der Zinsnahme auch das Gebot der Wohltätigkeit kennen. Weitere Kapitel befassen sich mit Geld und Glaubenslehren (Malin Drees), Geld und Glaubenspraxis (Sandra Rogel), Geld und Volksglaube (Christoph Schmitt) sowie Münzgeld und Glaube (Christoph Fleige und Stefan Kötz) und Geld und Jenseitsglaube (Anja Schöne). Wir erfahren unter anderem, was es mit den 30 Silberlingen auf sich hat, deretwegen Jesus Christus verraten wurde. Um diese legendären Münzen gab es in nachmittelalterlicher Zeit manche Spekulationen. Man hat sie sogar in Groschen und Pfennige umgerechnet, um den Gläubigen eine Vorstellung davon zu geben, welche Beträge da im Spiel waren.

Als sich Humanisten und Theologen auf die Suche nach dem "Blutgeld" des Judas begaben, waren diese antiken Stücke nicht aufzutreiben. Da es keine Originale gab, hat man in Görlitz rund um einen Nachbau des Heiligen Grabes in Jerusalem so genannte Schekel als Andenken an Wallfahrten verkauft, und auch heute kann man die fantasievoll gestalteten Medaillen vor Ort für ein paar Euro kaufen. Weitere Belege für die Beziehungen zwischen Geld und Glauben sind die Pfaffenfeindtaler aus dem Jahr 1622, mit denen der braunschweigische Herzog Christian, genannt der Tolle Christian, unter dem Schlachtruf GOTTES FREVNDT DER PFAFFEN FEINDT 1622 heftig gegen die katholische Kirche polemisierte.

Auswüchse des Ablasshandels

Die Auswüchse des Ablasshandels spielten bei der vor über 500 Jahren von Martin Luther initiierten Reformationsbewegung eine große Rolle. Die Sonderausstellung in Teltge schildert, wie man sich durch große und kleine Geldzuwendungen an die Kirche von seinen Sünden zu reinigen versuchte. Was getan wurde, um Wunden mit dem von Madonnentalern abgefeilten Silber zu heilen, ja auch welche Rolle geprägtes Metall als Amulette und Mittel gegen Hexen, Seuchen und Tod spielten, ist ein weiteres Thema. Viel Glaube und Aberglaube war bei den bis in unsere Zeit erteilten Ratschlägen im Spiel, durch Einlegen von Geld in Brautschuhe oder Befestigen von Münzen auf dem Nabel eines Täuflings materielle Sicherheit zu gewinnen. Ausstellung und Katalog zeigen ferner anhand von historischen Bildern, wie die Menschen, ob reich oder arm, vom Tod geholt werden und was die Anbetung des Mammon, dargestellt auf drastischen Karikaturen aus dem 19. Jahrhundert, aus den Menschen macht.

Der Katalog weist auf Mythen, Märchen und Sagen hin, in denen Gold und Geld und die Überwindung von Armut und Not durch überirdische Kräfte und noch besser eigenes Zutun eine Rolle spielen. Die Märchen erheben den moralischen Zeigefinger und bedeuten den Lesern und Zuhörern, dass Berge von Gold und Geld letztlich nicht zur Glückseligkeit führen und wie schnell gewonnenes Gut wieder zerrinnen kann. Schutz vor der Pest und Infektionen erwartete man von Pesttalern, die die um ein Kreuz gewundene Eherne Schlange sowie Jesus Christus am Kreuz inmitten von betenden Gläubigen zeigen. In die Betrachtung über vergängliche Güter fallen auch die Sternentaler, die Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel 1778 prägen ließ. Geldgierig wie er war, "vermietete" er seine Landeskinder an auswärtige Staaten, vor allem an Großbritannien. Dessen König Georg III. setzte sie in Nordamerika gegen die Unabhängigkeitsbewegung in Marsch.

Die hessische Landmünze zu 24 Groschen mit dem Stern des vom Landgrafen gestifteten Hausordens ist in den USA als "Blooddollar" bekannt. In großen Mengen geprägt, dienten die Münzen als "Entschädigung" für jene Familien, deren Väter und Söhne für fremde Interessen verblutet waren. Deren letzte Hemden hatten keine Taschen, und ihre in der Ferne lebenden Angehörigen konnten an ihrem Grab nicht beten und weinen. Uns es war ihnen auch nicht möglich, nach altem Brauch den Toten etwas mitzugeben, damit es ihnen im Jenseits gut ergehe.

Spenden in Synagogen, Kirchen und Moscheen

Ausstellung und Katalog werfen einen Blick auf Glaubenslehren und mit Geld verbundene Glaubenspraktiken wie in Synagoge, Kirchen und Moscheen geleisteten Spenden, vertreten durch Sammelbüchsen sowie bei frohen und traurigen Feiern geübte Rituale. Dass Münzen in den Weltreligionen bei der Bestattung von Toten eine nicht geringe Rolle spielten, weiß man durch Ausgrabungen. Obwohl die christliche Kirche diesen Brauch als heidnisch verbot, haben sich Hinterbliebene nicht abhalten lassen, ihren Verstorbenen durch freundliche Gaben oder einen in den Mund gelegten "Charonspfennig" den Weg in eine andere, bessere Welt leicht zu machen. Um den Seelen ihren Wohlstand auch im Jenseits zu gewährleisten, hat man den Toten Geld und andere Kostbarkeiten mit ins Grab gelegt oder wie in China Toten- oder Höllengeld genannte Geldscheine in den Himmel geworfen und/oder verbrannt. Wer dort am "Leichenschmaus" teilnimmt, bekommt eine in rotes Papier gewickelte Münze, die angeblich Unglück vertreiben hilft. Nicht unerwähnt sei, dass Sterbekassen Vorläufer heutiger Sparkassen waren, aus denen im Sterbefall die Bestattung bezahlt und den Hinterbliebenen ein wenig Hilfe zukommen zu lassen. Indem die Ausstellung und der Katalog auf die Verwobenheit von Geld und Glaube, von Macht und Reichtum und die Vergänglichkeit alles Irdischen aufmerksam macht, hilft sie auch Münzsammlern bei der Deutung ihrer Stücke und eröffnet neue Themen, denen nachzugehen sich allemal lohnt.

29. Juni 2021

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