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Alte Bücher neu gelesen: Ludwig Renn schildert in "Adel im Untergang" das Leben in sächsischen Offizierskreisen / Blick in ein Benimmbuch aus der Kaiserzeit





Das Albertinum auf der Brühlschen Terrasse und das Johanneum erinnern an zwei Stifter und Namensgeber, die Könige Albert und Johann von Sachsen. Arnold Vieth von Golßenau dürfte dort auf seinem Weg in das Residenzschloss und zu den Prinzen gelegentlich vorbei gegangen sein, mit denen er befreundet war.





Als junger Offizier musste sich Arnold Vieth von Golßenau den steifen Regeln des "spanischen Hofzeremoniells" am sächsischen Hof unterwerfen. Was er über Bälle und Audienzen am Königshof schreibt, liest sich sowohl erheiternd als auch tieftraurig. Hier ein Blick in den Thronsaal und in die goldstrotzende Decke eines Ballsaals im Residenzschloss, das in den vergangenen Jahrzehnten "aus Ruinen" auferstanden ist und dank Restauratorenkunst seine Pracht zurück bekam.



Was sich in höfischen Kreisen so tut und welche Gespräche in Offizierskasinos stattfinden, war in der Kaiserzeit Gegenstand zahlreicher Witze und Karikaturen. Hier hat Seine Majestät den alten General "oller Schafskopp" zu nennen beliebt, und der auf diese Weise mit "allerhöchster Gnade" ausgezeichnete Herr gibt diese Aufmerksamkeit beim Hofball sogleich an die alte Dame weiter.



Am vornehmsten ist der "Uradel", weil man für ihn nichts tun muss, gibt der feine Herr Offizier auf der Karikatur von Th. Th. Heine seiner Umgebung zu verstehen. Eduard Thöny schildert 1898, wie Offiziere panisch und mit blankem Entsetzen auf neue, ihre Existenz gefährdende Abrüstungsvorschläge reagieren.



Die Karikatur zeigt, wie ein Untertan in Ehrfurcht verharrt, wo die königlichen Hoheiten doch schon entschwunden sind und Straßenkehrer Pferdeäpfel beseitigen. "Und das sind die Orden, die dem lieben Gott für seine Verdienste um das Haus Hohenzollern verliehen worden sind", lässt der kleine Prinz seine Geschwister auf der Karikatur von Thomas Theodor Heine aus dem Jahr 1903 wissen. Es muss endlich Krieg sein, weil die Soldaten nicht einmal den Namen ihrer Offiziere kennen, ausgenommen den des Hauptmanns von Köpenick, ist der General überzeugt.



Die Karikatur "Die Futterrübe" von Eduard Thöny im Münchner Satireblatt "Simplicissimus" von 1897 zitiert einen Gutsherren in Offiziersuniform so: "Ja, in meiner Heimat baut man auch ‚ne ganz bedeutende Rübe. Man kann se zwar nich jenießen, aber fürs Jesinde eine janz vorzügliche Speise."



Auch in bürgerlichen Kreisen unterlagen Gespräche strengen Regeln, manche Damen wurden mit der Amtsbezeichnung und Titeln ihrer Ehemänner wie Frau Amtsrat oder Frau Doktor angesprochen. (Fotos/Repros: Caspar)

Das 1806 gegründete, vom französischen Kaiser Napoleon I. abhängige Königreich Sachsen spielte im 1871 gegründeten deutschen Kaiserreich eine untergeordnete Rolle. Im Deutschen Krieg von 1866 auf österreichischer Seite kämpfend, gehörte König Johann wie auch sein Verbündeter Kaiser Franz Joseph von Österreich und weitere Monarchen zu den Verlieren dieses Einigungskrieg genannten Ringens um die Vorherrschaft im Deutschen Bund. Der siegreiche König Wilhelm I. von Preußen hätte Sachsen nur zu gern geschluckt wie er es bei anderen Bundesstaaten getan hatte. Daran hinderte ihn Franz Joseph, und so blieb Sachsen als souveräne Monarchie erhalten, musste eine Millionensumme an Kontributionen zahlen und nährte sich in den folgenden Jahrzehnten vor allem von altem Glanz.

Zwar waren die Könige von Sachsen nur Juniorpartner der in Preußen und im Deutschen Reich auftrumpfenden Hohenzollern, aber sie erwarben sich durch die Förderung der Wirtschaft, Kunst, Kultur und Wissenschaft einen Namen. Die nach König Johann und seinem Sohn Albert benannten Museen, das Johanneum am Altmarkt und das Albertinum auf der Brühlschen Terrasse, besitzen in der Dresdner Kulturlandschaft einen hervorragenden Ruf. Sachsen wurde dank des Fleißes seiner Bewohner ein wichtiger Wirtschaftsstandort im Deutschen Reich, war aber wegen seiner dort stark entwickelten Arbeiterbewegung als "rotes Sachsen" den miteinander verwobenen Mächten Adel, Großgrundbesitz, Großbürgertum und Kirche ein Dorn im Auge.

Zwischen Kasino, Kasernenhof und Königsschloss

"Adel im Untergang" nannte der Schriftsteller Ludwig Renn (1889-1979) eines seiner Bücher über die Zustände am sächsischen Königshof in Dresden nach 1900 und das Leben in adligen Offizierskreisen und auf dem Kasernenhof. Der Autor mit ursprünglichem Namen Arnold Vieth von Golßenau war Offizier und kannte sich in dem Milieu bestens aus, bevor er sich von diesem abwandte und sich den Kommunisten anschloss. Der aus einer vornehmen Offiziersfamilie stammende Vieth war Sohn eines sächsischen Prinzenerziehers, der direkten Zugang zur königlichen Familie hatte. Herkunft und Beziehungen ebneten ihm den Weg in das besonders edle Königlich Sächsische Leib-Grenadier-Regiment Nr. 100 in Dresden. Dort lernte er ganz unterschiedliche Typen aus der sächsischen Oberschicht kennen, die auf ihre adlige Herkunft und lange Stammbäume stolz und miteinander verwandt und verschwägert waren. Das Spektrum reicht von Angehörigen des Königshauses über mehr oder weniger begüterte Fürstensöhne bis zu reichen Emporkömmlingen aus dem Bürgertum, die ihren Adelstitel dem zusammengerafften Vermögen ihrer Väter verdankten und von "richtigen" Blaublütern nicht für voll und satifaktionsfähig wahrgenommen wurden. "Augenhöhe" war in diesen Kreisen offen bar wichtiger als Anstand, Charakter und Humanität.

Der militärische Dienst auf dem Kasernenhof ist geprägt vom täglichen Drill der Rekruten und gelegentlichen Manövern. Aber viel mehr Spaß haben die Offiziere bei ihren Saufgelagen im Kasino und gelegentlichen Ausflügen in Dresdner Kneipen und Bordelle, wo sich die sächsische Militärelite ziemlich ungeniert austobte und Wein, Bier und Schnaps reichlich flossen. Die durch ihre vornehme Geburt privilegierten Männer mit und ohne "geistige Interessen" machten durch ihr ausschweifendes Leben und Glückspiel vielfach erhebliche Schulden. So geben viele von Vieths Kameraden eigenes und fremdes Geld mit vollen Händen aus, um sich Ansehen und Freundschaft bei ihresgleichen zu erkaufen oder vor der adligen Damenwelt zu prunken. Bei ihnen steht die Standesehre über allem, und wenn sie diese in Gefahr sehen, dann kommen auch schon mal Forderungen zum Duell, das zwar streng verboten war, aber dennoch von Zeit zu Zeit ausgetragen wurde und auch in Renns Buch eine Rolle spielt.

Royaler Eheskandal in Dresden

Wie eng das höfische Korsett selbst in allerhöchsten Kreisen empfunden wurde, zeigt der in dem Buch geschilderte Fall des österreichischen Erzherzogs Johann Salvator, der seinen Familienbanden entfloh, 1889 um die Entlassung aus dem Kaiserhaus bat, auf seine Titel verzichtete, sich Johann Orth nannte und in London die Tänzerin Ludmilla Stubel heiratete. Das aus seiner hochadligen Rolle ausgeschiedene Enfant terrible durfte aufgrund der strengen habsburgischen Hausgesetze Österreich-Ungarn nicht mehr betreten und war von da an am Wiener Hof eine Persona non grata. Zwar verfiel er der Damnatio memoriae. Aber man sprach dennoch über ihn, wie seine Erwähnung in "Adel im Untergang" zeigt. Getuschelt wurde auch über Luise von Österreich-Toskana, die Ehefrau des späteren Königs Friedrich August III. von Sachsen, der 1905 die Regierung antrat und als derjenige in Erinnerung bleibt, der in der Novemberrevolution von 1918 seinen Thronverzicht mit "Dann macht euern Dreck alleene!" kommentierte. Der royale Eheskandal und die Scheidung des Kronprinzen Friedrich August (III.) von Luise und deren Heirat mit dem Komponisten Enrico Toselli wurde im Deutschen Reich und darüber hinaus heftig diskutiert und warf kein gutes Licht auf den Dresdner Hof. In dem "Luisalied" von 1904 wird die entflohene Kronprinzessin als "Perle vom Sachsenland" bezeichnet und behauptet: "Sind Krone und Thron auch für immer dahin, sie ist und sie bleibt eine Königin."

Den jungen Leutnant Vieth von Golßenau stößt das Leben in der Kaserne und im Offizierskasino ab, wo seine Kameraden kostbare Zeit vor allem mit Prahlereien, Liebeleien und der Frage vertun, wer mit welcher wohlhabenden Dame m eine "gute Partie" macht und wie man sich mit ihrer Hilfe seiner Schulden entledigt. Er schildert Trinkgelage, Glückspiele und endlose Debatten über gut sitzende Uniformen und erkennt, dass dies alles ihn nicht weiter bringt. Zum Hofball abkommandiert zu werden, ist für ihn wenig erfreulich. Unter glitzernden Kronleuchtern drängen sich schwitzend die Paare, und es kann schon mal passieren, dass sich die Herren mit den Sporen an ihren Stiefeln verhaken und die eine oder andere in kostbare Roben gepresste Dame Atemnot bekommt und in Ohnmacht fällt. Auch die anderen Bälle mit und ohne Maskierung, die von Angehörigen der Hofgesellschaft und von Offizieren gegeben wurden, waren nicht so, dass Vieth sich in eine Dame verlieben konnte. In seinem Buch registrierte er ein breites Spektrum bei den weiblichen Gästen zwischen schüchtern und liebenswürdig auf der einen Seite und grob und laut in der Art, wie auf dem Kasernenhof herumgeschnauzt wird.

Lustbarkeiten in der Kneipe und im Bordell

Wer auf diesen Veranstaltungen nicht zum Zuge kam und es sich erlauben konnte und riskierte, dabei erwischt zu werden, ging in den "Puff", also ins Bordell, "um den alten Knochen etwas Spaß zu gönnen". Die Offiziere tun das an bestimmten Tagen in voller Uniform mit allen Orden, und da sie den Frauen angeblich nur in den Hintern kneifen, wie Renn schreibt, müssen sie sich, halb besoffen wie sie sind, nicht wieder umständlich anziehen. In seinem Buch fasst der Autor zusammen: "Mich widerte auch die Albernheit und Oberflächlichkeit der Fähnriche an, die überhaupt keine Interessen hatten außer Saufen, Huren und Geldhinauswerfen.'" Nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs kommt Vieth zur der Erkenntnis, dass er falschen Idealen folgt.

Ludwig Renn schildert unter anderem eine Verhandlung vor einem Ehrengericht, das über die "Berührung" eines Unteroffiziers durch einen Offizier mit dem Spitznamen Blitzer zu befinden hat. Auf solche damals in Deutschland bis fast in die Gegenwart nach dem Strafrechtsparagraphen 175 verbotenen Beziehungen stand Zuchthaus. In der Zeit des Nationalsozialismus kamen Schwule ins Konzentrationslager, wo viele von ihnen wurden ermordet wurden. Wer in der Kaiserzeit bei homosexuellen Handlungen erwischt oder nur ihrer bezichtigt wurde, riskierte nicht nur seine Freiheit, sondern war gesellschaftlich erledigt, wie Beispiele auch in hohen und höchsten Kreisen am kaiserlichen Hof in Berlin und Potsdam und an anderen Orten lehren. Die Verhandlung ging für den beschuldigten, als unsympathisch und immer alkoholisiert geschilderten Offizier glimpflich aus. Er wurde freigesprochen, denn es stand der Verdacht im Raum, dass der Unteroffizier schon vorher "berührt" war. "Der Richter hat, dachte ich, bewusst ein falsches Urteil gefällt. Also stimmt es, was die Sozialdemokraten sagen, dass die Richter das Recht zugunsten ihrer Klasse brechen", kommentiert Renn den Ausgang des Verfahrens, bei dem das Bemühen im Vordergrund stand, dass kein Schatten auf die Offizierskaste fällt. Ludwig Renn kannte sich in dem Milieu aus, denn er war schwul. 1955 kaufte Ludwig Renn zusammen mit seinen beiden als Sekretär und Fahrer angestellten Lebensgefährten Max Hunger und Hans Pierschel ein Grundstück im Berliner Ortsteil Kaulsdorf und baute an der Straße Am Kornfeld ein Haus. Eine Straße in Marzahn ist nach Renn benannt, während das nach ihm 1981 benannte Seniorenheim am Ketschendorfer Weg 33 unweit der Gärten der Welt nach der Wende 1989/90 vom neuen Träger einen neuen Namen erhielt.

Flucht vor den Nazis in die Schweiz

Arnold Vieth von Golßenau war im Ersten Weltkrieg, der in seinem Buch "Adel im Untergang" nur als in Sicht erwähnt wird, Kompanieführer und Bataillonsführer an der Westfront und diente danach in Dresden als Hauptmann der Sicherheitspolizei. Während des Kapp-Putsches 1920 weigerte er sich, auf revolutionäre Arbeiter zu schießen, und quittierte den Dienst, um danach in Göttingen und München Jura, Nationalökonomie, Kunstgeschichte und russische Philologie zu studieren. Auf dem Höhepunkt der Inflation 1923 versuchte er sich als Kunsthändler in Dresden und unternahm später Reisen durch Südeuropa und den Orient. In Wien schloss er sein Studium der Archäologie und der ostasiatischen Geschichte ab und kehrte 1927 nach Deutschland zurück. Ein Jahr später wurde er mit seinem ersten Antikriegsroman "Krieg" berühmt.

Mit diesen Buch, seinen Vorträgen vor Arbeitern und anderen Aktivitäten machte sich Vieth die zur Macht drängenden Nationalsozialisten zum Feind. Er legte seinen Adelsnamen und wählte als Pseudonym den Namen "Ludwig Renn" nach dem Helden seines "Krieg". Nach dem Eintritt in die Kommunistische Partei Deutschlands und den Roten Frontkämpferbund engagierte er sich auch als Sekretär im Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller und Herausgeber der kommunistischen Literaturzeitschriften Linkskurve und Aufbruch. Seine Bücher "Nachkrieg" (1930) und "Russlandfahrten" (1932) machten ihn zum wichtigsten deutschen kommunistischen Schriftsteller der Zwischenkriegszeit. Im März 1933 wurde Renn nach dem Reichstagsbrand mit Carl von Ossietzky und Ernst Torgeler verhaftet und der ausländischen Presse vorgeführt. Im Januar 1934 Renn zu 2 ½ Jahren Gefängnis verurteilt, die er im Zuchthaus Bautzen verbüßte. Nach seiner Entlassung zog Renn nach Unteruhldingen/Meersburg und Überlingen am Bodensee, von wo aus er im Februar 1936 in die Schweiz flüchtete und um politisches Asyl ersuchte. 1936 verließ er die Schweiz, ging nach Spanien und übernahm das Kommandostellen des "Bataillons Ernst Thälmann". Nach der Niederlage der Republikaner gelangte Renn über England und die USA nach Mexiko ins Exil, wo er als Vorsitzender der Bewegung "Freies Deutschland" tätig war und die Welthilfssprache Esperanto förderte.

Erfülltes Leben eines Kommunisten

1947 kehrte er nach Deutschland zurück, ließ sich in der Sowjetischen Besatzungszone/DDR nieder, wurde Mitglied der SED und arbeitete als Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts und Professor an der Technischen Hochschule Dresden. Später wechselte er an die Humboldt-Universität zu Berlin, verfasste von hervorragenden Künstlern illustrierte Kinderbücher sowie militärhistorische und politische Abhandlungen und Reise- und Lebensberichte. Zu seinen Büchern gehören neben den erwähnten Werken "Meine Kindheit und Jugend", "Krieg ohne Schlacht", "Herniu und der blinde Asni", "Camilo, Eine ungewöhnliche Geschichte aus Kuba, von einem tapferen Jungen und seinem Großvater", und "Trini. Die Geschichte eines Indianerjungen". Als der mit hohen Orden und dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnete SED-Genosse am 21. Juli 1979 im 91. Lebensjahr verstarb, schrieb das SED-Zentralorgan "Neues Deutschland" in einem Nachruf des Zentralkomitees der SED, das reiche und erfüllte Leben eines Kommunisten, der als Schriftsteller, Historiker und Kunstwissenschaftler über fünf Jahrzehnte in den Reihen unserer Partei für die revolutionäre Sache der Arbeiterklasse, gegen Krieg und Faschismus kämpfte, habe sich vollendet. Ludwig Renn und seine Lebensgefährten sind in einem gemeinsamen Grab auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde bestattet. In derselben Reihe ruhen auch die Grafikerin Käthe Kollwitz und der Maler Otto Nagel.

Der gute Ton in allen Lebenslagen

Wer an einem fürstlichen Hof zugelassen war, konnte überall in Fettnäpfchen treten, wenn er nicht gelernt hat, wie man sich dort bewegt und sich seinem Rang entsprechend verhält. Denn überall lagen Fußangeln aus, und so konnte es geschehen, dass eine falsche Anrede oder eine Unsicherheit bei einem Titel das Ende einer Karriere, gesellschaftliche Ächtung oder ein Duell zur Folge haben konnten. Um auf spiegelglattem Parkett sicher zu sein, gab es so genannte Benimmbücher. Ein solcher Ratgeber mit dem Titel "Der gute Ton in allen Lebenslagen. Ein Handbuch für den Verkehr in der Familie, in der Gesellschaft und im öffentlichen Leben" liegt mir in der achtzehnten, neu bearbeiteten und von Franz Eberhardt herausgegebenen Auflage aus dem Verlag Julius Klinghardt Leipzig vor. Das Besondere ist, dass das Buch 1918 erschien, als Monarchenplunder und Hofetikette im Orkus der Geschichte verschwanden.

Nichts ist in dem Buch zu spüren, dass eine neue Zeit anbricht, in der hochwohlgeborene und durchlauchtige Personen sowie kaiserliche und königliche Hoheiten abgewirtschaftet haben, wenigstens auf dem Papier und durch die Weimarer Verfassung. "In Deutschland spielt das Titelwesen noch immer eine große Rolle, und um nach keiner Seite hin zu verletzen, muss man sich bestreben, die Amts-, Rang- und Lebensverhältnisse der Lebensverhältnisse der Personen, welchen man gesellschaftlich entgegentritt, kennen zu lernen", heißt es in dem Ratgeber. Auch wenn man selber keinen übermäßigen Gebrauch in Anreden mit Titeln zu machen geneigt ist, sei es doch gut, sich auf diesem Gebiet auszukennen. Kaiser und Könige beanspruchen die Anrede "Euer Kaiserliche oder Königliche Majestät", und wenn hochadlige Personen gebeten werden, etwas zu tun, dann sollte man das mit "geruhen" oder "haben Sie die Gnade" zu umschreiben. In dem Benimmbuch wird genau beschrieben, wer wen ansprechen darf und wer auf eine Anrede warten muss. Die Etikette verboten "direkte Fragen" an Fürstlichkeiten, und wenn es unbedingt sein sollte, dann musste man seine Rede mit "Erlauben Eure Majestät/Hoheit, dass ich ..." oder "Würden Hoheit gnädigst vorzutragen gestatten..." einleiten.

11. Januar 2021

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